Dokumentiert: Der offene Brief von Uwe Junge zu seinem Austritt aus der AfD

Wir dokumentieren hier den offenen Brief von Uwe Junge, mit dem dieser auf facebook seinen Austritt aus der AfD begründet.

Uwe Junge
AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz
Mitgliedsnummer: 10879
Es ist vorbei, es geht nicht mehr!
Hiermit treten meine Frau Claudia und ich mit sofortiger Wirkung aus der Partei „Alternative für Deutschland“ aus.
Die AfD wurde vor mehr als acht Jahren mit der Absicht gegründet, die merkelschen Fehlentwicklungen aus der Mitte der Gesellschaft heraus zu korrigieren, die EU zu reformieren, das Europa der Vaterländer zu schützen, sich gegen Multikulti und linksgrüne Gesellschaftsutopien zu stellen und die Souveränität Deutschlands zu erhalten, um die Zukunft unseres Vaterlandes für unsere Kinder in Frieden, Freiheit und Wohlstand zu gestalten.
Viele enttäuschte bürgerliche Demokraten aus vielen Richtungen strömten in eine neue Partei, die damals von der Überzeugung getragen wurde, dass eine parlamentarische Kraft rechts von der Union möglich und dringend erforderlich sei, um den konservativen Werten, die die CDU unter Merkel sukzessive aufgegeben hatte, wieder Geltung und eine breite bürgerliche Stimme zu geben.
Als ich im April 2013 in die AfD eingetreten war, verband ich das mit der Überzeugung, dass eine ernst zu nehmende Korrektur der alles beherrschenden Merkel-Politik nur über parlamentarische Mehrheiten zu schaffen sei. Es ging darum, endlich die längst fällige geistig-moralische Wende einzuleiten, ohne die freiheitlich demokratische Grundordnung, das Rechtsstaatsprinzip oder das Prinzip der parlamentarischen Demokratie in Frage zu stellen. Es ging darum, durch freiheitliche, vernunftorientierte und ideologiefreie Politik zum Wohle des deutschen Volkes zu überzeugen und Wahlen zu gewinnen. Es ging darum, unser Deutschland zu retten.
Für dieses nationale Überlebens-Projekt habe ich mich mit all meinen Fähigkeiten und Erfahrungen eingesetzt, körperliche Angriffe, Brandanschläge, übelste Beleidigungen und die soziale Ächtung bewusst hingenommen – immer aus der Überzeugung heraus, dem zuvor beschrieben Auftrag als Mitglied, als Landesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender in Rheinland-Pfalz, mit aller Kraft dienen zu wollen.
In meinem Buch „Rechts vs. Rechts“ habe ich ja ausführlich begründet, warum eine weitere Kandidatur für die Partei und den Landtag für mich ab 2019 nicht mehr in Frage kam. Und wer hier zwischen den Zeilen zu lesen vermag, kann erkennen, wie sehr mich die Entwicklung der einst erfolgreichen Partei AfD zutiefst betrübt und wie tief die Enttäuschung gegenüber den ungeschickt und selbstgefällig agierenden Protagonisten sitzt, die eine historische Chance verspielt haben.
Allen voran der Ehrenvorsitzende Gauland, der mit seiner schützenden Hand einen völlig überschätzten Höcke am viel zu rechten Rand gewähren ließ und einen Kalbitz in Brandenburg bis in die höchsten Parteiämter förderte und damit dem Ansehen der Partei beim Bürger nachhaltigen Schaden zugefügt hat. Wen wundert es also, dass die Parteijugend gerne dem radikalen Flügel an den Lippen hängt und sich als „Höckejugend“ versteht, Kalbitz bis heute die Treue hält und jüngst dem bekennenden NS-Sympathisanten Helferich zur Seite stand. Ihr Einfluss reicht mittlerweile soweit, dass verdiente und hochkompetente Mitstreiter keinen Listenplatz mehr erhalten, wenn sie sich mal kritisch gegenüber der JA geäußert haben, wie in Rheinland-Pfalz geschehen.
Das innerparteiliche Klima wird für jeden freiheitlich denkenden Menschen immer unerträglicher, weil die Partei zunehmend durch opportunistische Mandatsjäger und politische Glücksritter beherrscht wird, die den schleichenden Austritt von kompetenten Fähigkeitsträgern ignorieren und den Eintritt von emotionalisierten Stammtischstratege gerne fördern, um mit primitiven Parolen deren Gefolgschaft, letztlich nur für sich selbst zu generieren. Das Mantra der Einigkeit, von Gauland quasi zur Religion erhöht, soll jede interne Diskussion abwürgen und macht auch den gutmeinenden Kritiker zum verhassten „Feindzeugen“, stellt ihn ins Abseits, wie man es von fanatischen Sekten kennt.
Die Veränderung begann nicht nur von oben nach unten, sondern auch durch die gewollte negative Veränderung der Mitgliederstruktur von unten nach oben. Damit ist eine Umkehr der Entwicklung nicht mehr möglich, weil vernünftige und gebildete Menschen schon bei dem ersten Veranstaltungsbesuch von der überreizten Stimmung, gepaart mit wilden Verschwörungstheorien und teilweise unflätigem Benehmen abgeschreckt werden, während sich der blökende Stammtischprolet wie zu Hause fühlt.
Schon lange sind nicht nur die unklugen und polternd auftretenden „Flügler“ die Antreiber dieser fatalen Entwicklung sondern zunehmend die aus meiner Sicht verachtungswürdigen Opportunisten, die das immer niedriger werdende Niveau derer, die sie schließlich auf die lukrativen Listenplätze wählen sollen, allzu gerne bedienen und damit die eigentliche Zielgruppe, den Wähler, völlig vernachlässigen. Die Wahlergebnisse zeigen die ersten Wirkungen und manifestieren die Abkehr von den ursprünglichen Zielen der Partei. Letztlich wird sich diese Entwicklung auch auf den Wahllisten ablesen lassen, die am Ende nur noch unwählbare Kandidaten generieren werden und die Unwählbarkeit der AfD immer offensichtlicher machen.
Mit Weidel und Chrupalla auf Bundesebene und Münzenmeier und Lohr in Rheinland-Pfalz werden diese Entwicklungen personifiziert. Kaum Inhalte, immer mehr Polemik, gefühlte Fundamentalopposition und die ausschließliche Bedienung der eigenen Blase. Die Entwicklung von differenzierten politischen Haltungen zur Außen- und Sicherheitspolitik, zur Europapolitik, zur Klimapolitik, zur Corona-Pandemie – Fehlanzeige.
Wenn es noch vor wenigen Jahren zumindest eine gemeinsame Programmatik gab, so haben sich die Ost- und Westverbände seit dem Bundesparteitag in Dresden mittlerweile auch programmatisch voneinander entfernt. Als Beispiele seien die Forderung nach dem DEXIT, das anbiedernde Verhältnis zu Russland, der latente Antiamerikanismus oder die Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft hin zu einer sozialpatriotischen Planwirtschaft genannt.
Nicht nur die jüngste und sehr oberflächlich geführte innerparteiliche Debatte zum Afghanistan-Einsatz sondern auch das uneinheitliche Abstimmungsverhalten der Bundestagsfraktion zur Epidemischen Lage zeigte die ganze Unfähigkeit der Partei- und Fraktionsführung hier eine durchdachte und stringente Gesamthaltung zu entwickeln. Das ist derart laienhaft, unprofessionell und Wähler abschreckend, dass das auch dem einfachsten Protestwähler früher oder später auffallen wird.
Folglich sind die von der bereits beschriebenen, sich verändernden Basis gewählten Protagonisten der Partei zunehmend Spiegelbilder mangelnder Kompetenz, oberflächlicher Botschaften und politischer Orientierungslosigkeit. Es widerspricht zutiefst den Gründungsidealen der AfD, wenn immer mehr junge Mandatsträger und Parteifunktionäre, die ohne abgeschlossene Berufsausbildung oder mit abgebrochenem Studium, ohne Berufserfahrung und ohne Verantwortung für eine Familie, aber als Wehrdienstverweigerer den Patriotismus wie eine Monstranz vor sich hertragen und den sogenannten „Boomern“ (Jahrgänge ca. 1955 -1965) ihre Lebensleistung anzweifeln. Was ist das für eine „konservative“ Jugend, die ihre Mütter und Väter beleidigen?
War bis vor kurzem der Bundesvorstand noch willens und in der Lage, eine moderate politische Linie zu verteidigen, so hat die Causa Helferich gezeigt, dass sich auch hier die Mehrheiten verschoben haben. Das muss man sich angesichts der immer wieder, ja meist haltlosen Nazi-Vorwürfe vorstellen: Ein bekennender NS-Sympathisant, der auch noch stellvertretender Landesvorsitzender des größten Landesverbandes ist, wird während des Bundestagswahlkampfs vom Bundesvorstand nicht ausgeschlossen, was im Umkehrschluss einer Billigung und Bestätigung des Vorwurfs an sich gleich kommt. Die Ausfälle von Gauland, Höcke, Kalbitz und anderen kann ich auf Dauer nicht mehr mittragen, weil sie einen selbst in Mithaftung nehmen und das eigene Ansehen beschmutzen.
Selbstverständlich wird man mir übelnehmen, dass ich gerade jetzt, mitten im Wahlkampf diesen Schritt gehe. Ja, ich habe mir das lange und schweren Herzens überlegt. Nein, es darf kein Abwarten bis nach der Bundestagwahl oder bis zur Neuwahl des Bundesvorstands geben, weil ich es mir und meinen Prinzipien schuldig bin zu handeln wenn es notwendig ist und nicht wenn es opportun ist.
Ich bin 2009 auch im Wahlkampf aus der CDU ausgetreten, weil ich mir selbst die Frage beantworten musste, ob ich durch stillhalten noch Leuten zu Mandaten verhelfen wollte, die ich als ungeeignet erachtete. Kann man als Noch-Mitglied dennoch eine andere Partei wählen? Ich nicht, denn ich mag diese Taktiererei nicht und ich war und bleibe „Überzeugungstäter“.
Der Auftrag Deutschland zu retten bleibt weiterhin vaterländische Pflicht. Aber mit dieser AfD ist das Ziel, bundesweit bürgerliche Mehrheiten zu erzielen und RotGrün zu verhindern nicht mehr möglich. Damit ist das Projekt AfD gescheitert.
Ich weiß, dass viele Freunde und Parteimitglieder, die mir immer treu verbunden geblieben sind, von diesem Entschluss enttäuscht sein werden, doch ich versichere Ihnen, dass ich mich auch in Zukunft politisch betätigen werde und würde mich über Ihre Unterstützung freuen.
Für die Bundestagswahl am 26.09.2021 werde ich nach eingehendem Studium des Wahlprogramms für die Partei „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR) stimmen. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass die LKR zum Sammelbecken aller vernünftigen Konservativen aus AfD, CDU und anderen werden kann.
Meine politische Agenda bleibt unverrückbar bestehen: bürgerlich-konservativ-patriotisch, mit dem Ziel Deutschland zu retten.
Gott schütze unser Vaterland
Uwe Junge
Claudia Junge

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