Meinung: Warum Flüchtlingsstädte in Afghanistans Nachbarstaaten sinnvoll wären

Die Lage in Afghanistan ist hochkomplex und hier von Deutschland aus wahrscheinlich nur schwer zu beurteilen. Fakt ist aber: auch wenn ein großer Teil der Bevölkerung sich mehr oder weniger mit den Taliban arrangieren kann und wird, ist die Lage für sehr viele dort nun lebensgefährlich geworden: Frauen in prominenten öffentlichen Positionen, ehemalige Helfer und Unterstützer der westlichen Armeen und generell Mitglieder der vorigen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen, um nur drei einfache Beispiele zu nennen.

Millionen wollen aus dem Land fliehen und natürlich ist nun gerade in Deutschland die Forderung da, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, #WirhabenPlatz.

Selbst stehe ich auf dem Standpunkt, dass wir eben nicht genug Platz haben. Allein schon nicht mangels bezahlbaren Wohnraums. Und gerade Flüchtlinge aus Afghanistan sind mE nur sehr schwer integrierbar; das Land ist seit rund 50 Jahren von Krieg geprägt, die Alphabetisierungsquote gehört zu den niedrigsten der Welt, die kulturellen Gegensätze sind enorm.

Ja, man könnte diese Herausforderung theoretisch schaffen, z.B. mit einem massiven sozialen Wohnungsbauprogramm und wirklich gewaltigen Investitionen in Integrations- und Ausbildungsmaßnahmen.

Aber es ist schwer vorstellbar, dass ein Land, das es nicht einmal hinbekommt, einen mittelgroßen Flughafen einigermaßen planungsgemäß in den märkischen Sand zu bauen und sich über Gendersternchen streitet, diese Aufgabe schultern kann. Und wer einfach nur Afghanen ins Land holt, ohne sich der Aufgabe der Integration zu stellen, schafft eine perspektivlose Parallelgesellschaft mit möglicherweise gefährlichen Folgen.

Auf der anderen Seite erkenne ich auch an, dass es kein vertretbarer Standpunkt ist, der Tragödie in der Region, in der man immerhin selbst rund 20 Jahre lang kriegerisch aktiv war, achselzuckend zuzusehen.

Vielversprechender und viel kostengünstiger ist da die Hilfe vor Ort, wobei vor Ort in diesem Fall derzeit nicht Afghanistan selbst heißen kann. Zu unklar wird die Lage die nächsten Monate sein und die Lebensgefahr für die besprochenen Gruppen ist nun einmal jetzt akut da.

Daher plädiere ich für Flüchtlingsstädte in den Nachbarorten Afghanistans. Allen voran Tadschikistan – immerhin fast 27% der Afghanen sind ethnische Tadschiken – gefolgt von Usbekistan – zu dieser Ethnie gehören fast 10% der Afghanen – und ggf. noch Turkmenistan. Pakistan, China und Iran scheiden aus verschiedenen Gründen aus.

In grenznahen Regionen werden in einem ersten Schritt Flüchtlingslager aus Zelten aufgebaut. Bei der Wahl der Standorte muss darauf geachtet werden, dass eine hinreichende Wasserversorgung gegeben ist, Verkehrsinfrastruktur – Straßen, Behelfsflughafen, ggf. Flusshafen – geschaffen werden kann und Platz für landwirtschaftliche Flächen ist.

Diese Plätze sind gleichsam „exterritoriales“ Gebiet auf Zeit unter Verwaltung der UNO, der NATO oder einer ggf. noch zu schaffenden völkerrechtlichen Körperschaft und werden militärisch bewacht und kontrolliert.

Die Staaten, auf deren Gebiet diese Flüchtlingslager liegen, werden dafür finanziell entschädigt und profitieren wirtschaftlich an deren Aufbau und Ausbau.

Nach Bereitstellung von grundlegender Versorgung sollen diese Lager rasch zu Behelfsstädten ausgebaut werden – unter Einbeziehung der Bewohner. Diese werden dazu vor Ort zu Zimmerleuten, Maurern, Krankenschwestern, Lehrern, Bauern etc. etc. etc. ausgebildet werden und wirken somit selbst am Aufbau einer zumindest temporären neuen Heimat mit. So entstehen aus den Lagern mittelgroße Behelfsstädte, die dann auch über Schulen und andere Bildungseinrichtungen verfügen.

Von dort aus könnten dann einerseits geregelte Asylverfahren, Familienzusammenführungen etc. in andere Länder erfolgen, wobei dann ja schon eine erste Integrationsarbeit (Alphabetisierung, Sprachkurse, Ausbildung, Vorbereitung auf kulturelle Unterschiede) im Vorfeld geleistet worden wäre.

Andererseits könnten, wenn sich die Lage in (Teilen) Afghanistans beruhigt, die Flüchtlings von dort leichter wieder zurückkehren und ihr Wissen und ihre neu erworbenen Kenntnisse weitergeben und so zu einem Nation- oder zumindest „Safe-Region-Building“ beitragen.

Aber auch eine geregelte Einwanderung in die Staaten, in denen die Behelfsstädte liegen, kann eine Option sein: Der zum Tischler ausgebildete tadschikische Afghane wird sich in Tadschikistan leichter einleben als in den VAE, die usbekischstämmige afghanische Krankenschwester leichter in Usbekistan als in Deutschland.

Schließlich könnten aus den provisorischen Städten auf lange Sicht dauerhafte Siedlungsräume entstehen, die dann dem jeweiligen Land übergeben werden.

Der Aufbau solcher Flüchtlingsstädte würde einen Bruchteil vergleichbarer Maßnahmen in Deutschland oder anderen westlicher Staaten kosten. Kulturelle Gräben und Integrationsschwierigkeiten gäbe es in einem viel geringerem Maße und auch die Länder, in denen diese Einrichtungen aufgebaut würden, könnten davon profitieren.

Es ist jedenfalls viel einfacher vorstellbar, in den angrenzenden Staaten in einer letztlich sogar skalierbaren Anzahl solcher Lager hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Afghanen zu schützen und auszubilden, als die gleiche Anzahl in Europa versuchen zu integrieren und damit letztlich zu entwurzeln.

Dieser Beitrag ist ein erster Entwurf und wird noch überarbeitet werden.

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