Meinung: Warum es ein Segen ist, dass Stauffenberg am 20. Juli 1944 scheiterte

Der 20. Juli 1944 ist einer der Schicksalstage Deutschlands: Das von Stauffenberg und seinen Verbündeten durchgeführte Attentat scheitert.

Und das ist auch gut so.

Deutschland war militärisch zwar schon nahezu aussichtslos geschwächt, aber doch noch ungeschlagen. Der Glaube an die Wunderwaffen bei vielen da, Teile des Volkes auf den totalen Krieg eingestelt.

Wäre Hitler getötet worden, wäre eine bedingungslose Kapitulation für die Attentäter keine Option gewesen. Denn das dann entstandene Staatsgebilde – oder auch mehrere – hätten noch mehr als die Weimarer Republik unter dem Schatten einer Dolchstoßlegende gestanden: Im Felde ungeschlagen, doch dann ohne Not den Alliierten ausgeliefert. Stabil und frei wäre dieser Staat nicht gewesen, ob Stauffenberg und die engsten Verschwörer hier überhaupt langfristig eine Rolle gespielt hätten, ist mehr als fraglich.

So oder so: auch wenn Stauffenberg zumindest später kein überzeugter Nazi mehr war und sich Hitler nur aufgrund seines Eides verpflichtet fühlte, war er eben auch nicht das, was wir heute einen überzeugten Demokraten nennen:

Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, die durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schufen. Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und fordern die Anerkennung der naturgegebenen Ränge. Wir wollen ein Volk, das in der Erde der Heimat verwurzelt den natürlichen Mächten nahebleibt, das im Wirken in den gegebenen Lebenskreisen sein Glück und sein Genüge findet und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der Mißgunst überwindet.

Viel wahrscheinlicher wäre also gewesen, dass sich ein „Drittes Reich Light“ gebildet hätte: ohne die Judenverfolgung und andere Exzesse, kapitalistischer, aber nicht wirklich demokratisch, mit den alten Strukturen an den entscheidenden Stellen. Eine linke Opposition hätte sich nicht entwickeln können, SPD und KPD waren ja zerschlagen. Solch ein Staat hätte seinen Separatfrieden mit den westlichen Alliierten gemacht und dann möglicherweise mit diesen weiter gegen die Sowjetunion gekämpft. Im besten Fall wäre nach dem Fall Hitlers eine sehr konservativ ausgerichtete Demokratie mit einer starken Führerfigur und möglicherweise gar einem Ständesystem entstanden. Mehr will ich hier an dieser Stelle gar nicht spekulieren, nur noch ein Hinweis: wer sich für das Thema und alternative Geschichte interessiert, dem sei Ditfurths Buch „Der 21. Juli“ empfohlen.

Dennoch ist es ein Segen, dass es das Attentat gab. Zeigte es doch, dass nicht alle Deutschen in verantwortungsvoller Position Hitler treu ergeben waren.

So war der 20. Juli 1944 – wie auch das Elser Attentat – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die westdeutsche Demokratie in dieser Form entstehen und so stabil werden konnte.

Das Bild zeigt die Wirmer Flagge, die von Stauffenberg und seinen Verbündeten als Flagge für den dann entstandenen Staat vorgesehen war.

3 Antworten auf „Meinung: Warum es ein Segen ist, dass Stauffenberg am 20. Juli 1944 scheiterte“

  1. Wenn man berücksichtigt, dass im letzten Kriegsjahr, also nach dem gescheiterten Attentat, mehr Menschen ums Leben kamen als in den Kriegsjahren davor, ist es etwas zynisch das Scheitern des Attentats (und damit die Verlängerung des Krieges) als Segen zu bezeichnen.

    1. Der Krieg wäre wohl nicht direkt vorbei gewesen. Die Beweggründe der Attentäter waren ja ganz andere:

      „Die sich abzeichnende Niederlage müsse im nationalen Interesse unbedingt verhindert werden. Dafür sei die Beseitigung der Person Hitlers erforderlich und ein Hochverrat gerechtfertigt.“

  2. Klar, was eine Post-Hitler-geführte Regierung gemacht hätte, und wie die Alliierten darauf reagiert hätten, ist Spekulation. Aber es spricht einiges dafür, dass Krieg und Holocaust nicht so weitergegangen wären wie geschehen, und Millionen Tote weniger zu verzeichnen gewesen wären.

    Die Argumentation, dass eine totale Niederlage „heilsam“ war für Deutschland, kann ich gut nachvollziehen. Aber der Preis dafür war halt sehr hoch, und nicht wirklich ein „Segen“.

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