Was bedeutet Säuferwahnsinn?

Säuferwahnsinn ist eine früher gebräuchliche Bezeichnung für das Entzugsdelir.

Meyers Konversationslexikon von 1906 schreibt dazu:

Das D. tremens (lat., Säuferwahnsinn) ist eine akute Geistesstörung bei chronischen Säufern. Es beginnt meist mit Schlaflosigkeit, allgemeiner Unruhe und Verstimmtheit und äußert sich in Sinnestäuschungen, in stillen oder wilden Delirien, wobei gewöhnlich ein starkes Zittern der Glieder und der Zunge vorhanden ist. Die Kranken glauben allerlei Spukgestalten, auch Tiere (Mäuse) zu sehen, die namentlich in der Dunkelheit auf sie einstürmen; sie suchen diese zu erhaschen oder sie zu vertreiben und wischen deshalb beständig auf ihrer Haut oder der Bettdecke. Zuweilen schreien und toben die Kranken infolge schreckhafter Sinnestäuschungen, wollen entfliehen oder sich aus dem Fenster stürzen. Andre Kranke sind stets heiter, lachen und schwatzen. Die Delirien machen Pausen und kehren dann um so heftiger wieder. Dabei besteht vollkommene Schlaflosigkeit. Die Haut schwitzt sehr, die Augenlider sind gerötet, Lippen und Zähne trocken, borkig belegt; der Stuhl ist verstopft, der Urin spärlich, der Puls gewöhnlich beschleunigt. Allmählich tritt Erschöpfung und zeitweise Schlaf ein, zuweilen aber auch erliegt der Kranke nach heftigem Toben unter raschem Kräfteverfall und hoher Temperatursteigerung. Nicht selten bleiben Geistesstörungen zurück. Der Ausbruch der Krankheit wird durch starke Exzesse im Branntweintrinken oder durch plötzliche Entziehung desselben bei Gewohnheitstrinkern hervorgerufen; oft wird er bei solchen durch Lungenentzündung, schwere Verwundung etc. begünstigt. Am häufigsten kommt das D. im Alter vom 30.–50. Jahre vor, meist ist es auf einige Tage beschränkt, selten zieht es sich wochenlang hinaus; jedoch treten später leicht neue Anfälle des D. ein. In etwa 15 Proz. der Fälle endigt es mit dem Tod. Als anatomische Grundlage der Störung ergibt sich meist eine chronische Entzündung der Hirnhäute, Blutüberfüllung und Odem des Gehirns. – Die Behandlung hat für die möglichste Erhaltung der Kräfte durch ausreichende Ernährung Sorge zu tragen. Die Unruhe und Schlaflosigkeit bekämpft man mit Schlafmitteln. Eine sorgfältige Überwachung erfordert die Herztätigkeit, bei Herzschwäche ist ein anregendes Verfahren (Äther, Kampfer, kühle Übergießungen etc.) am Platz. Ob man nach ausgebrochenem D. durch weitere Verabreichung von Alkohol nützt, ist fraglich. Anstaltsbehandlung mit geschulter Überwachung ist in den meisten Fällen nötig. Nur völlige Unterlassung des Mißbrauchs geistiger Getränke, namentlich des fuselhaltigen Branntweins, schützt vor Wiederholung der Anfälle; leider fallen die Kranken aber meist früher oder später in ihre alte Gewohnheit des Trinkens zurück.

Bild: Der Trinker; Honoré Daumier; Litographie 1834

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