Dokumentiert: Der offene Brief von Dieter Schneider zu Problemen bei der Kontrolle von Wahlen

Hier dokumentieren wir den offenen Brief von Dietmar Schneider aus Darmstadt, in dem dieser Probleme bei der Abwicklung und Kontrolle von Wahlen anspricht.

Dipl.-Kfm. Dieter Schneider Darmstadt
Öffentlicher Brief per-E-Mail 6. April 2021

Herrn
Oberbürgermeister Jochen Partsch
Rathaus
Wahlausschuss

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister und Gemeindewahlleiter Partsch,

als aktives Mitglied des Wahlausschusses der Gemeinde Darmstadt schreibe ich Ihnen.

Am Montag, den 29. März 2021, wurden von Ihnen als „Öffentliche Bekanntmachung der Wissenschaftsstadt Darmstadt“ die vom Gemeindewahlausschuss festgestellten endgültigen Ergebnisse der Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Darmstadt im „Darmstädter Echo“ bekanntgegeben.

Vom Kreisverband einer Partei vorgeschlagen und von Ihnen als Kreiswahlleiter berufen, bin ich einer von insgesamt sechs Beisitzern des Wahlausschusses, der u. a. die Aufgabe hat, Wahlergebnisse in der Gemeinde nach kritischer Überprüfung und Beratung zu bestätigen.

Als einziger Beisitzer habe ich am 26. März gegen die Feststellung der Wahlergebnisse der Kommunalwahl am 14. März gestimmt. Weder vor noch nach der Abstimmung sah ich eine Möglichkeit, meine Ablehnung zu begründen. Das hole ich mit diesem öffentlichen Schreiben an Sie als Oberbürgermeister und Gemeindewahlleiter in möglichst kurzer Form hiermit nach.

Das Wahlergebnis halte ich für grob fehlerhaft zustande gekommen.
Gerade deshalb ist es mir nicht möglich gewesen, ergebniswirksame Fehler bei der Stimmauszählung zu finden, die auf Grund des sehr speziellen hessischen Kommunalwahlrechts an mehreren Orten und zu verschiedenen Zeiten erfolgte.

Der wichtigste Fehler bei der Stimmauszählung war, dass eines der Grundprinzipien demokratischen Wahlrechts, die öffentliche Überprüfbarkeit des Wahlablaufes und der Wahlergebnisse durch Wahlbeobachtung im weitesten Sinne, umfassend von Ihnen als verantwortlicher Wahlleiter außer Kraft gesetzt wurde.

Die wesentlichen Möglichkeiten der öffentlichen Kontrolle des Wahlablaufes einschließlich Stimmauszählung sind:
• Externe Beobachtung der Stimmauszählung vor Ort
• Interne Wahlbeobachtung der Mitglieder der Wahlvorstände untereinander vor Ort
• Wahlberichterstattung vor und nach der Wahl
• Wahlausschuss-Sitzungen
• Wahleinsprüche nach der Wahl

Bei den ersten drei Bereichen habe ich langjährige Erfahrungen. Im Wahlausschuss (4.) bin ich zum zweiten Mal tätig geworden. Mit einem eigenen Wahleinspruch (5.) habe ich nach der letzten hessischen Landtagswahl die bemerkenswerte Erfahrung gemacht, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis 13 unterschiedliche Wahleinsprüche – darunter einer von mir –und darauf folgend fünf Wahlprüfungsbeschwerden letztendlich bis Herbst 2020 vom Hessischen Staatsgerichtshof zurückgewiesen wurden. Einzelheiten dazu kennen Sie und ich aus umfangreichen Schriftsätzen, aber die Öffentlichkeit hat nichts davon erfahren.

Nur auf Punkt 4. – meine Tätigkeit im Wahlausschuss – werde ich hier und heute näher eingehen, weil er mein negatives Votum auch für Dritte am besten erklärt.
Wie schon bei der letzten Wahl, der Wahl des EU-Parlaments, und jetzt wieder wurde von Ihnen als Wahlleiter das Öffentlichkeitsprinzip der Wahlausschusssitzungen dadurch ausgehebelt, dass lediglich durch einen kurzfristigen Aushang, am Eingang des Sitzungsaales angekündigt, die Tagung öffentlich bekannt gemacht wurde und dann weitgehend „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ stattfand. Auf meine aktuelle Frage, ob die Medien diesmal über diese öffentliche Veranstaltung informiert wurde, war die mündliche Antwort des Leiters des Wahlamtes sinngemäß: Wir haben unsere Pressestelle informiert.

Schon bei der letzten Wahl nahm ich mein Recht in Anspruch, vor der eigentlichen Sitzung die Unterlagen (im Wesentlichen die Original-Wahlniederschriften), die bei der Sitzung dann vorn im Sitzungssaal zur Schau gestellt wurden, vorab stichprobenartig zwei Stunden lang zu überprüfen. Mein Vorschlag, auch andere Mitglieder des Wahlausschusses auf die Möglichkeit hinzuweisen wurde nicht aufgegriffen.

Auch zu Ihrer Information füge ich diesem Schreiben auf elektronischem Wege eine Fotografie von dieser „Dokumenten-Sammlung“ als Anhang bei. Ich tue das auch, weil mir der Leiter des Wahlamtes auf Nachfrage meinen Eindruck bestätigte, dass von Seiten der Gemeinde keinerlei Aufzeichnungen in Bild und Ton von der Veranstaltung gemacht würden, obwohl Mikrofone für alle Beteiligten an der Sitzung installiert waren.

Zu meiner Überraschung befanden sich in den Ordnern, nach Stimmbezirken zusammengestellt, nicht nur die erwarteten Wahlniederschriften, sondern auch
Original-Stimmzettel mit datierten Kontrollvermerken in roter Schrift durch Dritte direkt auf der Rückseite der Stimmzettel und auch Korrekturen der Wahlniederschriften durch Dritte.

Aus Zeitgründen konnte ich mir stichprobenweise nur Wahlniederschriften von einer Urnenwahlauszählung und einer Briefwahlauszählung ansehen.

Dem Wahlausschuss selber wurde in der Sitzung eine schriftliche Korrekturliste nach Stimmbezirken vorgelegt, die ergab, dass bei der Auszählung der „Parteistimmen“ am Wahlsonntag nur eine einzige Korrektur in 137 Stimmbezirken notwendig war. Den „Magistratsparteien“ wurden dabei drei Stimmzettel zugesprochen, die vorher irgendwie „vergessen“ waren. Dagegen zeigten die Stimmauszählungen am Montag und Dienstag im Rathaus durch 300 städtische Mitarbeiter (die Zahl nannten Sie in der Sitzung) nur einzelne Gutschriften für unterschiedliche Parteien und keinerlei Abzüge.

Eine Möglichkeit, die Zahl der ungültigen Stimmen in allen 137 Stimmbezirken und der zurückgewiesenen Wahlbriefe für 38 Briefwahl-Stimmbezirke zu überprüfen, bestand nicht. Um mir vorher eine Übersicht über die Zahl der zurückgewiesenen Wahlbriefe für alle Briefwahl-Stimmbezirke zu verschaffen, bat ich Sie, mir eine entsprechende Übersicht zur Verfügung zu stellen. Das wurde wegen des unzumutbaren zusätzlichen Arbeitsaufwandes offensichtlich in Ihrem Auftrag schriftlich abgelehnt.

Erst bei der Sitzung konnte ich durch die auch von mir zu unterzeichnende Anwesenheitsliste in Erfahrung bringen, mit welchen Personen ich im Ausschuss zu tun hatte und von welchen Parteien sie vorgeschlagen wurden:
• Grüne 2 Beisitzer
• CDU 1 Besitzer
• SPD 1 Beisitzer
• AfD 1 Beisitzer
• Die Linke 1 Beisitzer

Laut Kommunalwahlgesetz entscheidet bei Stimmgleichheit der Wahlleiter als Vorsitzender des Wahlausschussers. Damit war eine „Magistratsmehrheit“ bei Abstimmungen im Wahlausschuss sichergestellt, und es erschien mir auch deshalb sinnlos, meine grundsätzlichen Bedenken gegen diese Art der Wahlergebnisfindung vorzutragen.

In diesem Zusammenhang erinnere ich Sie daran, dass Sie als Wahlleiter bei früheren Wahlen jede parlamentarische Kontrolle Ihrer Tätigkeit als Wahlleiter abgelehnt haben. Demzufolge haben Sie auch nicht die Fraktionen in der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung aufgefordert, Mitglieder für den Wahlausschuss vorzuschlagen, sondern Partei-Kreisverbände.

Der negative Höhepunkt der Sitzung des Wahlausschusses war dann für mich, dass Sie sich, Herr Partsch, als Wahlleiter wörtlich für die „konstruktive Beratung“ bei den Teilnehmern des Wahlausschusses bedankten, obwohl keinerlei Wortmeldungen im Wahlausausschuss stattgefunden hatten. Ob diese Bemerkung ein Teil Ihrer Verlesung eines vorbereiteten Textes war, oder nur spontan zugefügt, kann ich im Nachhinein nicht mehr sicher sagen. Ich vermute aber, dass es vorbereiteter Text war, weil das Hessische Kommunalwahlgesetz „Beratung“ im Wahlausschuss vorschreibt.

Das alles schreibe Ich Ihnen, weil ich damit zu verhindern hoffe, dass es bei der Bundestagswahl wieder so abläuft. Der Grundfehler in der von Ihnen praktizierten Abwicklung von Wahlen ist:

In Ihrer Doppelfunktion als Gemeinde-Chef und Wahleiter widersprechen sich die unterschiedlichen Zielsetzungen:

Als Gemeinde-Chef müsste es Ihre Hauptzielsetzung sein, ein ergebnisfehlerfreies und damit rechtlich unanfechtbares Wahlergebnis abzuliefern. Da stört Öffentlichkeit.
Als Wahleiter müsste es Ihre Hauptzielsetzung sein, ein dem Wählerwillen exakt widerspiegelndes Wahlergebnis zu erreichen. Da nutzt Öffentlichkeit.

Die erste Zielsetzung führt dazu, die öffentlichen Kontrollmöglichkeiten der Gemeindearbeit bei der Abwicklung von Wahlen von außen, also von den Wählern und Wählerinnen, auszuschalten, die zu Wahlanfechtungen führen könnten.
Eine fehlende öffentliche Kontrolle kann potentielle Wahlbetrüger in Sicherheit wiegen, beim Wahlbetrug nicht entdeckt zu werden.

Die Beschränkungen durch Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus und die damit verbundene sprunghafte Zunahme der Möglichkeit des Briefwählens machen Wahlen in Deutschland noch anfälliger für nicht aufzudeckenden Wahlbetrug.
Speziell für Briefwahlen wird dabei das demokratisches Grundprinzip: Wählen geheim – Zählen öffentlich auf den Kopf gestellt:
„Betreutes“ Wählen unkontrollierbar öffentlich – Zählen möglichst geheim!

Meine konkrete Empfehlung als jetzt ehemaliger Stadtverordneter:
Geben Sie bei der nächsten Wahl Ihre Doppelfunktion als kontrollierender Kreiswahlleiter und zu kontrollierender Darmstädter Oberbürgermeister auf und lassen Sie sich weder in der einen noch in der anderen zur Neutralität verpflichtenden Funktion von Ihrer Partei – wie geschehen – in Wort und Bild in den Wahlkampf einspannen.
Dieter Schneider
Stadtverordneter a. D.

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