Ein paar Anmerkungen zum Eilantrag von Beate Bahner gegen die Corona Verordnungen der Bundesländer

Die Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner hat mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Corona Verordnungen der Bundesländer für viel Aufsehen gesorgt. Dazu merkte ich auf twitter an, dass man sich nicht nicht wundern dürfe, dass es Phänomene wie Reichsbürger, AfD Flügel und wirre Verschwörungstheoretiker gibt, solange man Anwälten, die solche Anträge einreichen, ernsthaft eine mediale Öffentlichkeit gibt.

Auf diesen tweet hin gab es auch einiges an Kritik, ich sei arrogant oder würde den Ernst der Lage verkennen. Zumindest sei für den juristischen Laien nicht erkennbar, dass es sich hier um ein wirres Pamphlet handle. Daher will ich hier kurz erläutern, warum der Eilantrag von Frau Bahner so nicht haltbar ist.

Konkret beantragt sie folgendes:

  1. Es wird festgestellt, dass die Corona-Verordnungen aller Bundesländer dazu geeignet sind, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die freiheitlich-demokratische Grundordnung nach Art. 20 GG zu gefährden.
  2. Der Vollzug der Corona-Verordnungen aller Landesregierungen wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache sofort außer Vollzug gesetzt.
  3. Es wird festgestellt, dass die für Ostersamstag, 11. April 2020, 15 Uhr von der Antragstellerin angekündigte bundesweite Demonstration „Coronoia 2020. Nie wieder mit uns. Wir stehen heute auf“ nach Art. 8 II GG und 20 Abs. 4 GG zulässig ist und nicht verboten werden darf.
  4. Es wird beantragt, sofort über den Eilantrag zu entscheiden, da die Antragstellerin seit einem Besuch der Polizei Heidelberg am 8. April 2020, 12 Uhr ihre Freiheit in Gefahr sieht.
  5. Die Dringlichkeit besteht insbesondere in der vollständigen Beseitigung des Bestands der Bundesrepublik Deutschland und in der beispiellosen Beschränkung fast aller Grundrechte von 83 Millionen Bürgern und der damit drohenden Errichtung eines diktatorischen Polizeistaats.
  6. Es wird daher beantragt, aufgrund der besonderen Dringlichkeit davon abzusehen, den am Verfahren zur Hauptsache Beteiligten, zum
    Beitritt Berechtigten oder Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, § 32 Abs. 2 BVerfGG.
  7. Der Streitwert wird nach billigem Ermessen unter Beachtung der erheblichen Bedeutung der Rechtssache durch das Gericht festgesetzt.

Ein Problem ist zunächst sicherlich, dass das Bundesverfassungsgericht auch in vielen Qualitätsmedien gleichsam als letzte Instanz im deutschen Gerichtswesen dargestellt wird. Dabei ist es keine normale Superrevisioninstanz, sondern kann eben nur in eng umrissenen verfassungsrechtlichen Streitigkeiten angerufen werden; mehr dazu gibt es hier.

Für den normalen Bürger – und nichts anderes ist Frau Bahners hier – ist der Regelfall das Einlegen einer Verfassungsbeschwerde.  Diese kann gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG von jeder natürlichen oder juristischen Person mit der Behauptung erhoben werden, durch die deutsche öffentliche Gewalt in ihren Grundrechten verletzt worden zu sein.

Wenn hier aber in im 1. Antrag die Feststellung begehrt wird, dass die Corona-Verordnungen aller Bundesländer dazu geeignet seien, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die freiheitlich-demokratische Grundordnung nach Art. 20 GG zu gefährden werden hier aber gerade keine Grundrechtsverletzungen gerügt. Als Privatperson kann man diesen Antrag also erst gar nicht stellen. Abgesehen davon sollte man direkt vorsichtig werden, wenn jemand juristisch mit der Gefährdung des Bestands der Bundesrepublik oder mit dem Widerstandsrecht aus Art. 20 Abs. 4 GG argumentiert. Dies sind im Regelfall klare Indikatoren für nicht stichhaltige und wirre juristische Argumentationen.

Der 2. Antrag ist besonders pauschal gefasst und in mehrfacher Hinsicht unzulässig. Zum einen lebt sie ja in Baden Württemberg und könnte daher nur die „Baden-Württembergische Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2″ (Corona-Verordnung – CoronaVO) vom 17. März 2020 angreifen – von den entsprechenden Verordnungen anderer Bundeländern ist sie ja nicht selbst, gegenwärtig und unmittelbar in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten betroffen. Und auch inwieweit sie dies durch die genannte Baden-Württembergische Verordnung ist, wird nicht belegt. Zuletzt ist der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz subsidiär – solange sie nicht den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg ausgeschöpft hat, ist eine Verfassungsbeschwerde von vornherein (fast) immer unzulässig.

Letzteres gilt auch für den 3. Antrag. Einmal ganz abgesehen davon, dass hier gar nicht klar wird, ob es eine Untersagung der geplanten Demo gab, wird nicht dargelegt, ob sie sich um eine behördliche oder nötigenfalls verwaltungsgerichtliche Klärung der Zulässigkeit der Versammlung bemüht hätte oder weshalb ihr dies nicht möglich oder nicht zuzumuten sein sollte.

Zugegeben: abgesehen vom Sprachstil kann es sein, dass man bei den Punkten eins bis drei die offensichtliche Unzulässigkeit und Unbegründetheit nur erkennen kann, wenn man über eine gewisse juristische Vorbildung verfügt. Doch auch für den juristischen Laien sollte dies bei den Anträgen 4 und 5 offensichtlich sein: Bahner zeichnet  hier das Bild der Bundesrepublik als undemokratischen Polizeistaat, in dem man Angst vor willkürlicher Verhaftung haben muss. Mit der Realität hat dies nicht wirklich viel gemein.

Auf die zumindest oberflächlich korrekt wirkenden formalen Anträge 6 und 7 gehe ich nicht weiter ein.

Insgesamt ist Bahners Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung juristisch nicht haltbar und arbeitet offen mit Narrativen und Formulierungen, wie man sie von Verschwörungstheoretikern und aus der Reichsbürger-Szene kennt. Auch wenn dies für den oberflächlichen juristisch nicht vorgebildeten Leser möglicherweise nicht direkt erkennbar ist, sollte dies zumindest in den Redaktionen auffallen, die über den Vorgang jedoch recht unkritisch berichtet haben. Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag jedenfalls auch klar abgelehnt – kein weiterer Kommentar erforderlich.

Angemerkt sei abschließend allenfalls, dass Bahners Beiträge auf ihrer Homepage immer wirrer wurden. Kostprobe?

Denn ich mache jetzt mal meinen eigenen „Shutdown“, um mich ein paar Wochen zu erholen. Es ist nämlich ein weiterer Schock, wenn man plötzlich merkt, dass der lauteste Polizeihelikopter aller Zeiten hinter einem selbst her ist. Es kann also schon ein Weilchen dauern, bis ich keine Angst mehr habe vor Helikoptergeräuschen.

Bemerkenswert auch die

Corona-Auferstehungs-Verordnung vom 11. April 2020
Erlassen durch Beate Bahner auf Grundlage der Art. 1 GG (Menschenwürde), Art. 2 GG (Handlungsfreiheit), Art. 4 GG (freie Religionsausübung), Art. 5 GG (Meinungsfreiheit), Art. 6 GG (Schutz der Ehe, Familie und Kinder), Art. 7 GG (Schulwesen), Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit), Art. 9 GG (Vereinigungsfreiheit), Art. 11 GG (Freizügigkeit), Art. 12 GG (freie und ungehinderte Berufsausübung), Art. 14 GG (Eigentumsgarantie), Art. 20 Abs. 4 GG (Recht zum Widerstand), §§ 1, 12 a BRAO (anwaltliche Pflicht zur Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung)

Und so sollte es niemanden wundern, dass Bahner jetzt in die Psychatrie eingeliefert wurde, wobei hier der Gesichtspunkt der Eigengefährdung maßgeblich gewesen sein dürfte; mehr dazu hier.

Ob die Corona Verordnungen der Länder alle verfassungsrechtlich einwandfrei sind, möchte ich an dieser Stelle übrigens offen lassen – doch wenn man dies gerichtlich überprüfen lassen will, sollte man es zumindest formal und inhaltlich richtig machen.

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