Gedicht: Lore Lay

Lore Lay ist eine Ballade von Clemens Brentano. Entstanden im Jahre 1800 in Jena stammt sie aus dem zweiten Teil des Romans Godwi. Das Gedicht ist der Ursprung der Sagenfigur Lorelei.

Zu Bacharach am Rheine
Wohnt eine Zauberin,
Sie war so schön und feine
Und riss viel Herzen hin.
Und machte viel zu schanden
Der Männer rings umher,
Aus ihren Liebesbanden
War keine Rettung mehr.
Der Bischof ließ sie laden
Vor geistliche Gewalt –
Und musste sie begnaden,
So schön war ihr’ Gestalt.
Er sprach zu ihr gerühret:
»Du arme Lore Lay!
Wer hat dich denn verführet
Zu böser Zauberei?«
»Herr Bischof lasst mich sterben,
Ich bin des Lebens müd,
Weil jeder muss verderben,
Der meine Augen sieht.
Die Augen sind zwei Flammen,
Mein Arm ein Zauberstab –
O legt mich in die Flammen!
O brechet mir den Stab!«
»Ich kann dich nicht verdammen,
Bis du mir erst bekennt,
Warum in diesen Flammen
Mein eigen Herz schon brennt.
Den Stab kann ich nicht brechen,
Du schöne Lore Lay!
Ich müsste dann zerbrechen
Mein eigen Herz entzwei!«
»Herr Bischof, mit mir Armen
Treibt nicht so bösen Spott,
Und bittet um Erbarmen,
Für mich den lieben Gott.
Ich darf nicht länger leben,
Ich liebe keinen mehr –
Den Tod sollt Ihr mir geben,
Drum kam ich zu Euch her. –
Mein Schatz hat mich betrogen,
Hat sich von mir gewandt,
Ist fort von hier gezogen,
Fort in ein fremdes Land.
Die Augen sanft und wilde,
Die Wangen rot und weiß,
Die Worte still und milde,
Das ist mein Zauberkreis.
Ich selbst muss drin verderben,
Das Herz tut mir so weh,
Vor Schmerzen möcht’ ich sterben,
Wenn ich mein Bildnis seh’.
Drum lasst mein Recht mich finden,
Mich sterben, wie ein Christ,
Denn alles muss verschwinden,
Weil er nicht bei mir ist.«
Drei Ritter lässt er holen:
»Bringt sie ins Kloster hin,
Geh, Lore! – Gott befohlen
Sei dein berückter Sinn.
Du sollst ein Nönnchen werden,
Ein Nönnchen schwarz und weiß,
Bereite dich auf Erden
Zu deines Todes Reis’.«
Zum Kloster sie nun ritten,
Die Ritter alle drei,
Und traurig in der Mitten
Die schöne Lore Lay.
»O Ritter laßt mich gehen,
Auf diesen Felsen groß,
Ich will noch einmal sehen
Nach meines Lieben Schloss.
Ich will noch einmal sehen
Wohl in den tiefen Rhein
Und dann ins Kloster gehen
Und Gottes Jungfrau sein.«
Der Felsen ist so jähe,
So steil ist seine Wand,
Doch klimmt sie in die Höhe,
Bis dass sie oben stand.
Es binden die drei Ritter,
Die Rosse unten an,
Und klettern immer weiter,
Zum Felsen auch hinan.
Die Jungfrau sprach: »Da gehet
Ein Schifflein auf dem Rhein,
Der in dem Schifflein stehet,
Der soll mein Liebster sein.
Mein Herz wird mir so munter,
Er muss mein Liebster sein! –«
Da lehnt sie sich hinunter
Und stürzet in den Rhein.
Die Ritter mussten sterben,
Sie konnten nicht hinab,
Sie mussten all verderben,
Ohn’ Priester und ohn’ Grab.
Wer hat dies Lied gesungen?
Ein Schiffer auf dem Rhein,
Und immer hat’s geklungen
Von dem drei Ritterstein:
Lore Lay
Lore Lay
Lore Lay
Als wären es meiner drei.

Eine Antwort auf „Gedicht: Lore Lay“

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.