Meinung: Was die CDU aus der Europawahl 2019 lernen sollte

Woran hats gelegen?

Die CDU/CSU hat bei der Europawahl mit 28,9% der Stimmen ein historisch schlechtes Ergebnis abgeliefert und setzt damit ihren seit einigen Wahlen andauernden grundsätzlichen Abwärtstrend fort. Und natürlich stellt sich nun zusehends lauter die Frage, woran es gelegen hat und liegt.

Innerhalb der CDU wird dies durchaus kontrovers diskutiert, wobei das Stimmungsbild einerseits durch die Werteunion – wir müssen wieder nach rechts – und andererseits durch die Union der Mitte – wir müssen die Mitte besetzen, im Zweifel auch links davon – bestimmt wird.

Links und Rechts sind von gestern – es geht um Sachpolitik, Dummkopf

Diese beiden lauten Flügel der CDU sehe ich jedoch mehr als skeptisch, kämpfen sie doch die Schlachten der Vergangenheit. Eine klare linke oder rechte Positionierung war in der Zeit vor der Wiedervereinigung für eine Partei wichtig, heute sind solche Denkmuster in vielen Bereichen weitestgehend überholt und zu unterkomplex.

Das Problem der CDU ist, dass sie ideologisch eine getriebene Partei ist.

Begonnen hat das mit Angela Merkel, deren Regierungsstil – die „Methode Merkel“ – davon geprägt ist zu reagieren, nicht zu agieren. Und auch die beiden angesprochenen CDU-Flügel hecheln einerseits der AfD, andererseits den Grünen hinterher und streiten über rechts/konservativ/mitte/links.

Die Wähler interessiert das ganz überwiegend aber gar nicht, es geht ihnen um Sachpolitik. Und hier ist die CDU gefordert, wieder vorzudenken und Positionen zu besetzen. Die CDU meiner Jugend hat dies gemacht, sie war die Partei, die z.B. für die Wiedervereinigung und die klare Westbindung stand. Solche USPs hat die heutige CDU nicht, jedenfalls keine, die interessant, relevant und sichtbar wären.

Klar ist: Die CDU muss sich sachpolitisch bei den Themen positionieren, auf die es derzeit ankommt, damit sie wieder positiv wahrgenommen werden kann.

Klima, Wirtschaft, Migration, Soziales und Gesellschaft

Insbesondere für die jüngeren Wähler ist das Thema der Zeit die Umwelt und Klimapolitik. Ich will an dieser Stelle gar nicht streiten, ob es einen Klimawandel gibt und wenn ja, ob dieser zumindest teilweise menschgemacht ist oder nicht – aber wenn man irgendwo zu Gast ist, hinterlässt man diesen Ort ordentlich und macht ihn nicht kaputt. So ist es auch mit den Menschen und der Erde: wir sollten unseren Planeten so schonend behandeln, wie nur irgendwie möglich. Und hier sehe ich auch gar nicht den Widerspruch zwischen Klima- und Umweltschutz einerseits und einer starken Wirtschaft andererseits. Ganz im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass ein ökologischer Umbau unserer Gesellschaft viele Arbeitsplätze schaffen kann, allein schon z.B. durch eine komplette neue Mobilitätsinfrastruktur und Energiewirtschaft – es gibt 100e Ideen, was man hier machen könnte. Die CDU hätte die Chance, hier echte Akzente setzen und sich durch eine konstruktive in die Zukunft gerichtete kombinierte Umwelt / Wirtschaftspolitik in Abgrenzung zu den Grünen zu positionieren. In diesem Zusammenhang gehört auch ein klares Bekenntnis zu weiteren Zukunftstechnologien wie z.B. KI, Blockchain und Quantum-Computing. Eine Digitalisierung der Wirtschaft und Verwaltung würde zudem auch der Umwelt zugute kommen.

Nach wie vor im Raum steht daneben der Elefant der Migrationspolitik. Auch hier könnte die CDU unabhängig von den klassischen Rechts- (Macht die Grenzen dicht) und Links- (Refugees Welcome) Mustern neue Wege finden. Als erstes müsste sie anerkennen, dass Deutschland faktisch ein Einwanderungsland ist und dies durch ein modernes Einwanderungsgesetz unterstreichen, das die Arbeitsmigration steuert. Daneben müssen Lösungen für Fluchtsuchende gefunden werden, die diesen wirkungsvoll Schutz bieten, ohne hierzulande die Sozialsysteme und Integrationsmöglichkeiten langfristig zu überfordern. In diesen beiden Bereichen der Migration hat sich die CDU bislang um klare Antworten gedrückt, die sie jetzt dringend geben sollte.

In diesem Zusammenhang muss man auch die gesamte Sozialpolitik ansprechen, bei der es ein „Weiter so“ oder ein „Zurück in die Vergangenheit“ nicht geben kann. Neben der Einwanderung (sic!) sind hier als Herausforderungen die Überalterung der Gesellschaft, Bildungsgerechtigkeit oder Wohnungspolitik zu nennen – genug Möglichkeiten, sich mit neuen – dringend benötigten – Lösungen zu profilieren. Ein bedingtes Grundeinkommen könnte durchaus ein Konzept für die Zukunft sein, vielleicht sogar eines, an dem durch die neue Arbeitswelt kein Weg vorbei führt.

Und auch in einem anderen Bereich kann es kein Zurück in die Vergangenheit geben, Gesellschaftspolitisch ist die Messe gelesen und keiner kann Deutschland diesbezüglich wieder in die 1950er führen. Gleichberechtigung, Inklusion und z.B. gleichgeschlechtliche Ehe sind Errungenschaften, die wir nicht mehr aufgeben dürfen. Gleichzeitig müssen wir aber auch aufpassen, dass Deutschland liberal und weltoffen bleibt und diesen Weg progressiv weiter geht.

Schon in diesen wenigen Sätzen wurde übrigens deutlich, dass diese Bereiche viel enger zusammenhängen, als man auf den ersten Blick denken mag. Die CDU hat also die große Chance, den großen Entwurf für Deutschlands und Europas Zukunft zu liefern.

Die schwierige Kommunikation

Ein weiteres Problem ist freilich, dass (politische) Kommunikation heute viel vielschichtiger und damit schwieriger ist als in der Vergangenheit. In den 1980ern gab es Print, TV und Radio. Es war nicht schwer, die gesamte Bevölkerung zu erreichen.

Heute gibt es Print, TV, Radio und viele online Kanäle, die alle ihre eigene Kommunikationskultur und eigene Filterblasen entwickelt haben – twitter ist eben wieder etwas ganz anderes als youtube oder facebook. Und ob es ihr gefällt oder nicht – von der Parteivorsitzenden einer Volkspartei muss man erwarten, dass sie sich mit diesen unterschiedlichen Kanälen auseinandersetzt.

Und wenn dann Inhalte und Kommunikation wieder stimmen, klappt es auch wieder mit den Wählern.

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