Meinung: Warum ich mich so richtig über Ayla Mayer geärgert habe – und über mindestens 8.076 Menschen auf twitter

Auf twitter bin ich über obigen Tweet von Ayla Mayer (jetzt Ayla Kiran), ihres Zeichens immerhin Ressort-Leiterin Social Media bei Spiegel Online und ausgebildete Journalistin, gestoßen. Er suggeriert, gesetzlich versicherte Patienten würden ein deutlich schlechteres Abendessen erhalten als privat versicherte. Reflexhaft mag man nun denken: Skandal – mal wieder diese Privatpatienten.

Dabei taugt dieses Bild aus zahlreichen Gründen gar nicht zum Skandal. Aber der Reihe nach:

  1. Was man zum Abendessen bekommt, hängt in allen Krankenhäusern die ich kenne, davon ab, was man sich bestellt. Und das grundsätzlich unabhängig davon, wie man versichert ist. Sprich, auch der Ehmann hätte sich die untere Variante bestellen können. Das haben dann auch die Asklepios Kliniken klargestellt und bestätigt: Natürlich kann sich jeder zum Abendessen bestellen, was er mag. Auch Gurken, Salat und ungesunde Chips. Allein schon ab diesem Punkt könnte man die Diskussion jedenfalls schon beenden. Aber:
  2. Im Familienzimmer muss der Partner bei einer Geburt ohnehin selbst bezahlen – das übernimmt keine gesetzliche oder private Krankenkasse, da der Aufenthalt ja nicht medizinisch indiziert ist. Dass der Selbstzahler – der ja im Regelfall wie ein Privatpatient bezahlt und behandelt wird – weniger bekommt, ist unlogisch. So oder so handelt es sich beim kargen Essen für den Vater um keine Leistung, die in irgendeiner Form mit seinem Versichertenstatus zu tun hat – auch deswegen läuft der Vergleich ins Leere.
  3. Und selbst wenn ein Privatpatient je nach Tarif mehr bekäme, wäre das kein Skandal, im Rahmen seines Tarifs bezahlt er im Zweifelsfall ja auch mehr.
  4. Weiter wurde ich darauf Aufmerksam gemacht, dass in manchen Krankenhäusern Schwangere und Wöchnerinnen anderes Essen bekommen, was ja durchaus auch angemessen wäre – das ist hier konkret aber nicht der Fall.

Mich ärgert einfach, dass eine Journalistin eine tendenziöse, vermeintlich zum Skandal taugende  Behauptung einfach in den Raum stellt, ohne sie zunächst zu hinterfragen. So bleibt aber nur viel Lärm um gar nichts. Bedenklich ist auch, dass so ein tweet von über 8.000 Menschen gedankenlos geliked wird.

Und was das ganze so oder so mit Flüchtlingen zu tun hat oder haben soll, erschließt sich mir sowieso überhaupt nicht – auch wenn ich weiß, was die Verfasserin des Tweets damit bewirken will. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.

Übrigens, Karl Lauterbach setzt auf den tweet dann noch was drauf

* Nachtrag: Ich hatte die Asklepios Klinik um eine Stellungnahme gebeten, die ich hier dokumentiert habe. Der Vater hätte sich dieser zufolge als Selbstzahler ohne Probleme genau das gleiche Abendessen bestellen können.

14 Antworten auf „Meinung: Warum ich mich so richtig über Ayla Mayer geärgert habe – und über mindestens 8.076 Menschen auf twitter“

  1. Der letzte ironische Satz, den Du möglicherweise nicht verstanden hast, dürfte für die vielen Likes deutlich mitverantwortlich sein. Er ist wohl auf kritische Antwort auf Seehofers Mutter (aller Probleme) zu verstehen.

    1. Natürlich, wenn etwas besonders dumm war, war es Ironie, die die anderen nicht verstanden haben. Schon klar. Britischer Humor halt.

  2. Bedenklich mag es sein, dass der Tweet so viele Herzen bekommen hat, allerdings auch nicht wirklich verwunderlich. Gerade Twitter lebt von der schnellen, unbedachten Aktion aber auch Reaktion. Viel gedacht wird bei Twitter generell nicht, bevor agiert wird.

  3. Warum muss der Partner es heute selber bezahlen? (Achtung, rhetorische Frage, Geschichtskenntnisse könnten aber helfen)
    Wenn man schon Kritik geäußert, sollte man diese doch auch bis zu Ende denken. Oder den Punkt lieber weglassen.

    Und Sie wissen nicht, was das Ganze mit Flüchtlingen zu tun hat?
    Muss erst wieder der Reichstag brennen und dieses Mal die Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden, bevor auch der Letzte erkennt, dass aus Sicht einer immer größerer werdenden Gruppe die Flüchtlinge angeblich unser einziges Problem sind?
    Muss man Ihnen wirklich erstmal erklären, dass auch laut seriöseren Zeitungen wie SZ, FAZ und Zeit 1,5 Millionen Menschen in drei Jahren das angeblich einzige Problem des Landes sind, während die Sozialsysteme seit Kohl ruiniert wurden, das Steuersystem seit Schröder ruiniert wurde, die Arbeitslosenzahl 5 Millionen und steigend ist und umfassender Betrug und Rechtsbruch (prominent VW sowie BKA/BND) von der Regierung nicht nur gedeckt, sondern auch noch gefördert und belohnt wird, bis Sie in Ihrem (sorry) Elfenbeinturm merken, was das ganze mit Flüchtlingen zu tun hat?
    Ganz schwache Leistung für jemanden, der laut eigener Aussage RTL beraten und für den Spiegel geschrieben hat.

  4. Zu Punkt 1)
    Eine privatversicherte Verwandte hat im Krankenhaus eine Menükarte für Privatversicherte bekommen. Dort stehen deutlich mehr und gehobenere Speisen drauf als auf der für Gesetzlichversicherte. Auch kleine Flaschen Saft und Schokoriegel hab es nur für Private.
    Beim Frauenarzt meiner Frau dürfen Privatversicherte in der „Wartelounge“ platznehmen und einen gratis Espresso trinken.
    Bei der letzten Grippewelle haben Gesetzlichversicherte mir die Dreifachschutzimpfung bekommen, welche in Gegensatz zur Vierfachimpfung (bekommen Privatversicherte) kaum Wirkung gezeigt hat. Es gab tausende Tote.

    Manchmal lässt sich die Zweiklassenmedizin nicht wegargumentieren.

    1. „Manchmal lässt sich die Zweiklassenmedizin nicht wegargumentieren.“

      Die Frage dabei ist, ob man auch soviel bezahlen möchte wie ein Privatversicherter?
      Die Schokoriegel werden denen ja nicht wirklich geschenkt.

      Also, da kaufe ich mir mein Saftfläschen lieber selber…die PKV ist eine Kostenfalle.

    2. Tausende Tode? Meinen sie die Spanische Grippe?

      Bei meinem Neurochirurgen bekommt jeder einen Espresso und Wasser. Jeder. Ausnahmslos!

      Bei meinem Hausarzt sitzen alle im selben Wartezimmer. Allerdings kann ich spontan darum bitten, das Blutbild um einen PSA-Wert zu ergänzen. Kassenpatienten müssen da wohl in der Regel zahlen. Viele könnten sich das leisten, tun das aber nicht.

      Mein letzter HNO-Arzt behandelte zuletzt ausschließlich Privatpatienten, weil er keinen Bock mehr auf Diskussionen mit der Kassenärztlichen Vereinigung hatte.

      Ein befreundeter Urologe erklärte mir, dass ihr seine Praxis nur durch die Privatpatienten, klinische Studien und eine Tätigkeit als Chefredakteur eines Fachblatt halten könne. Er hat die kassenärztliche Zulassung nicht zurückgegeben, aber eben quer finanziert.

      ich habe dieses Jahr insgesamt fünf Wochen in Krankenhäusern und drei Wochen in der Reha verbracht. Eine derartige Bevorzugung von Privatpatienten gab es in keinem der Fälle.

      Kann natürlich auch daran liegen, das clevere gesetzlich Versicherte eine Zusatzversicherung für die stationäre Behandlung abschließen und damit privaten in jeder Beziehung gleichgestellt sind.

      Wird das nicht macht, wird immer noch gut versorgt. Mir wurde auch gesagt, dass meine Operation in Griechenland oder Portugal mit einem erheblich höheren Risiko verbunden gewesen wäre als hierzulande. Unabhängig von der Krankenversicherung.

      ohne Privatversicherte wäre die Schieflage unseres Gesundheitssystems noch größer, glauben Sie mir.

  5. Zu Nr. 2: Die AOK Niedersachsen beteiligt sich an den Kosten für die Unterbringung im Familienzimmer, wenn beide Eltern AOK versichert sind.

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