Kommentar: Warum die Migrationsfrage wirklich die Mutter aller politischen Probleme ist

Erst mal runterkommen, bitte

So, bevor Sie das Lesen kommen Sie alle ein bisschen runter und stellen die Schnappatmung ein. Und zwar bitte sowohl die Linken, die jetzt reflexhaft die Nazi-Keule schwingen, und die Rechten, die jetzt ebenso reflexhaft in Triumphgeschrei verfallen wollen.

Das Leben ist nämlich nicht schwarz weiß und Politik ist mehr als aus dem Zusammenhang gerissene falsche Zitate.

Das Seehofer Zitat

Konkret geht es natürlich um das aktuelle Seehofer Zitat. Verkürzt wird immer behauptet, der Bundesinnenminister habe gesagt, Migration sei die Mutter aller Probleme. Gerade in den sozialen Netzen wird dies so dargestellt, als habe er behauptet, dass die Migration an sich, also damit auch der einzelne Migrant, das grundlegende Problem in Deutschland sei.

Doch was sagte Seehofer im Interview mit der RP wirklich? Der Kernsatz lautet:

Aber die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land.

Schon so ist die Aussage eine ganz andere, als kolportiert, auch wenn manche das jetzt für Haarspalterei halten werden. Doch besonders auch aus dem weiteren Kontext des Interviews ergibt sich, dass Seehofer es als Hauptproblem ansieht, dass auf die Migrationsfrage – die in Teilen der Bevölkerung ja durchaus nach wie vor diskutiert wird – gefühlt keine Antwort gegeben wurde, sondern nur ein „Wir schaffen das.“

Dabei hätten die Parteien nur einmal etwas sein müssen, was sie selten sind: ehrlich. Das wäre anfangs nicht schön gewesen, aber im Nachhinein leichter.  … Klar kommen bei über einer Million nicht nur lammfromme Leute in Land. … Natürlich waren alle am Anfang mit der Situation heillos überfordert. … Wenn die Regierung das zugegeben hätte – „ja, wissen wir, aber wir schauen, was wir tun können, wir entwickeln einen Plan gemeinsam mit euch und den Kommunen (wir haben noch keinen), wir halten euch auf dem Laufenden und lassen das nicht weiter aus dem Ruder laufen“. Damit hätten die Leute gut leben können – vor allem, wenn man sie aktiv informiert hätte.

Die fehlende Antwort

Das obige Zitat stammt aus Katrin Hilgers Blogartikel „Warum das Problem mit der AfD hausgemacht ist„, den sie bereits 2017 geschrieben hat.

So eine einfache, ehrliche und eben nicht populistische Klarstellung hat es bislang nicht gegeben. Zumindest wird dies von großen Teilen der Bevölkerung nach wie vor so gesehen. Ganz im Gegenteil, wer so eine klarstellende Aussage fordert oder die Migrationspolitik kritisiert, wird schnell in eine rechte gesteckt – un auch dies ist kontraproduktiv, wie ich bereits vor einem Jahr geschrieben habe. Geändert hat sich dabei nichts. Und auch nur so ist zu erklären, dass die AfD inzwischen im Osten in Umfragen die CDU überflügelt hat und dort die stärkste politische Kraft ist.

Solange es auf die Migrationsfrage keine umfassende – nicht populistische – Antwort gibt, ist sie Ursache für viele politische Probleme in Deutschland. Nicht zuletzt eben für das Erstarken der AfD, die für viele gefühlt die einzige Partei ist, die das Thema anspricht.

Wir brauchen eine offene Diskussionskultur

Aber die Diskussion ist zu verhärtet und festgefahren – wie eine verrostete Mutter.

Ich wünsche mir, dass eine sachliche und offene Diskussion über alle Probleme möglich ist. Ohne reflexhafte festgefahrene Meinungen.

Denn das Fehlen einer solchen Diskussionskultur ist die wirkliche Mutter aller Probleme.

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