Marc Röhlig und Erfindungen

Islamische Erfindungen nach Marc Röhlig

Wer mich kennt, weiß, dass ich Fake News und falsche Fakten nicht mag. Und daher hat dieser tweet von Marc Röhlig, seines Zeichens immerhin Nachrichtenchef bei bento, seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen:

#Matussek auf der #MerkelmusswegDemo #Hamburg über den #Islam: „Von einer muslimisch Erfindergeneration habe ich noch nie gehört“.

Um ihn in Schutz zu nehmen: Die ist schon sehr alt. Wir verdanken ihr u.a. die Uni, Algebra, Medizin – und sogar die Brille. – bei Bahnhof Dammtor

OK, wie sieht es also mit seinen Aussagen aus? Sind Uni, Algebra, Medizin und sogar die Brille islamische Erfindungen?

Die Universität

Fangen wir mit der Uni an. Hier meint Röhlig wahrscheinlich die „Universität al-Qarawīyīn“ in Marokko, die 859 gegründet wurde – allerdings als reine Koranschule. Als Universität gilt diese allerdings erst seit 1957. Ungefähr gleich alt dürfte die medizinische Fakultät von Salerno sein, die auch manchmal als älteste Universität der Welt bezeichnet wird. Nach heutigem Verständnis war sie aber wohl nicht viel mehr als ein Klosterhospital. Auch die islamische Azhar in Kairo (975) war „nur“ eine Koranschule. Umstritten ist auch die Universität von Parma (972), bei der man zunächst nur freie Künste studieren konnte.

Universitäten nach heutigem Verständnis waren alle vier jedenfalls nicht.

Als tatsächlich älteste Universität gilt die von Bologna, die Ende des 11. Jahrhunderts gegründet wurde.

Algebra

Hier ist die Antwort noch einfacher:

Erste Darstellung der modernen algebraischen Methoden finden sich in der „Arithmetica“, einem Lehr- und Aufgabenbuch des Diophant von Alexandrien, deren Entstehungszeit je nach Quelle auf das 1. Jahrhundert v. Chr. bis auf das 4. Jahrhundert n. Chr. datiert wird.

Etwas älter ist die Darstellung der Algebra im „Aryabhattiya“, einem mathematischen Lehrbuch des indischen Mathematikers Aryabhata aus dem 5. Jahrhundert.

So oder so – damals gab es noch keinen Islam.

Erst ab dem 9. Jahrhundert übernahmen Gelehrte aus dem arabischsprachigen Raum diese mathematischen Methoden, die sie „al-ǧabr“ nannten – und daher kam dann auch der Name. Übrigens, einige der damit befassten Mathematiker hingen möglicherweise noch dem Zoroastrismus an und waren keine Moslems.

Ältere grundsätzlich algebraische Methoden gab es übrigens auch schon bei den Ägyptern und Babylonieren.

Hier ist die Aussage von Marc Röhlig also eindeutig falsch.

Medizin

Unbestritten ist, dass es aus der islamischen Welt im Mittelalter große Impulse gab – aber medizinsche Forschung und Lehre betrieben schon die Ägypter, Griechen und Römer.

Diese Aussage von Röhlig ist nicht haltbar.

Brille

Um es gleich zu sagen – auch hier liegt Röhlig falsch.

Optische Vergrößerungshilfen in Form von Linsen hatten möglicherweise schon die Ägypter. Archimedes kannte die Brechungsgesetze von Linsen und hat sie möglicherweise als Sehilfe eingesetzt. Seneca der Jüngere schrieb im 1. Jahrhundert nach Christus: „Kleine und undeutliche Buchstaben erscheinen schärfer und größer, wenn man sie durch eine mit Wasser gefüllte Kugel betrachtet.“ Zwar schrieb auch der arabischen Astronomen und Optiker Alhazen im 11. Jahrhundert den „Schatz der Optik“ – aber zur Brille, wie wir sie kennen führte auch das nicht.

Diese entwickelte sich dann im 13. Jahrhundert in der Toskana.

Warum?

So bleibt von den Behauptungen in Röhligs tweet nur wenig übrig.

Und so fragt man sich, warum er das behauptet. Ich frage ihn auf twitter jedenfalls diesbezüglich einmal an.

Disclaimer

Mit diesem Artikel will ich wissenschaftliche Blütezeit des Islam unter den Abbasiden (750 n. Chr. – 1258 n. Chr.) nicht schmälern. So wurden in dieser Zeit bedeutende Entdeckungen in der Medizin (kleiner Blutkreislauf), Mathematik und Astronomie gemacht. Hier hätte Röhlig durchaus konkrete nicht angreifbare Beispiele bringen können.

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