NRW-Regierung erleichtert Sonntags-Shopping

Verkaufsoffener Sonntag Recklinghausen

Gute Nachrichten für den Nordrhein-Westfälischen Einzelhandel: Künftig soll es dort an acht Sonntagen im Jahr möglich sein, ab 13 Uhr die Ladentür zu öffnen. Zudem sollen die Beschränkungen zur Ladenschließzeit an Werktagen, inklusive Samstag wegfallen und Öffnungszeiten bis 24 Uhr möglich machen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Änderung des Ladenöffnungsgesetzes (LÖG) ist von der schwarz-gelben Regierung im Rahmen des sogenannten „Entfesselungspaket I“ bereits auf dem Weg gebracht.

„Das Paket soll ein Signal für eine dynamische Wirtschaft sein“, erklärte Ministerpräsident Armin Laschet in einer Pressemitteilung vom 29. August 2017. Im entsprechen Antrag (Drucksache 17/74) formuliert die schwarz-gelbe Landtagsfraktion die Gründe schärfer: NRW könne sich durch „unnötige bürokratische Hürden und Fesseln“ nicht angemessen entfalten und befinde sich in einem „Wachstums- und Wohlstandsrückstand“ gegenüber den anderen Bundesländern.

Ziel der von Wirtschafts- und Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart vorgelegten Gesetzesinitiative ist es den Einzelhandel gegenüber dem Onlinehandel zu stärken. Zur Begründung wird im „Entwurf eines Gesetzes zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen“ eine Studie des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) zitiert. Demnach sei für 2017 für den Einzelhandel lediglich ein Wachstum von zwei Prozent zu erwarten. Für den Onlinehandel dagegen sind 11 Prozent Wachstum prognostiziert. Der HDE und das Institut für Handelsforschung IFH Köln sehen dadurch in den nächsten fünf Jahren eine Gefährdung für 45000 bis 50000 lokale Geschäfte. Das könnte, so das Ministerium, zur einer Verödung der Innenstädte führen. Durch eine Ausweitung der Öffnungszeiten sollen daher auch die Kommunen indirekt durch ein größeres Geschäftsvolumen des ansässigen Einzelhandels finanziell gestärkt werden. Zudem gebe es dadurch individuelle Möglichkeiten die Attraktivität der Innenstädte zu steigern.

Von der Änderung konkret betroffen sind Artikel vier und sechs des LÖG. Künftig sollen Gemeinden die Kompetenz erhalten, die Ladenöffnung an jährlich bis zu acht Sonn- und Feiertagen ab 13 Uhr für fünf Stunden zu gestatten. Damit liegt ein verkaufsoffener Sonntag NRW zahlenmäßig deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt, da sich die meisten Länder nach der früheren bundesweiten Regelung von maximal vier Sonntagen im Jahr richten. Mit der späten Öffnungszeit will die Regierung Rücksicht auf die Hauptgottesdienstzeiten nehmen. Mit der Begrenzung auf fünf Stunden soll der Ausnahmecharakter der Regelung betont werden. Bisher konnten Gemeinden zudem bis zu elf verkaufsoffene Sonntage im Jahr freigeben, wenn die Ladenöffnungen in verschiedenen Stadtteilen stattfanden. Diese Zahl soll nun auf 16 erhöht werden.

Ausgenommen sind der 1. und 2. Weihnachtstag, Ostersonntag, Pfingstsonntag sowie die stillen Feiertage im Sinne des Feiertagsgesetzes in NRW. Zudem dürfen zwei verkaufsoffene Sonntage nicht hintereinander liegen, während der Adventszeit darf maximal einer stattfinden.

Verkaufsoffener Sonntag Recklinghausen

Novum ist, dass nun erstmals der Anlassbezug entfällt und die Sachgründe ausgeweitet werden sollen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil am 01. Dezember 2009 entschieden, dass es für eine sonntägliche Ladenöffnung einen zwingend nötigen Sachgrund geben muss, um den im Grundgesetz verankerten Sonntagsschutz (§140 GG i.V.m. §139 WRV) gerecht zu werden. Bloße wirtschaftliche Umsatzinteressen von Verkaufsstelleninhabern und alltägliche Erwerbsinteressen der Käufer für die Ladenöffnung genügen dafür grundsätzlich nicht. (Vgl. Pressemitteilung Nr. 134/2009 vom 1. Dezember 2009)

Als berechtigter Anlass galten bislang beispielsweise Feste oder Märkte. Das öffnete die Tür für Klagen der Gewerkschaft Ver.di und den Kirchen. So entschied etwa das Oberlandesgericht Münster, dass die Verkaufsfläche der Kaufhäuser nicht größer als die des Weihnachtsmarktes sein dürfte, da sonst der Bezug zum Anlass nicht mehr gegeben sei. In die gleiche Richtung geht auch ein Urtei des Bundesverwaltungsgerichtes 2015. Demnach müssen Kommunen vorab nachweisen, dass mehr Besucher auf den Weihnachtsmarkt (Anlass) gehen werden als ins Kaufhaus. Zudem muss die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt werden. (Vgl. BVerwG 8 CN 2.14)

Aufgrund dieser unsicheren Rechtslage entschieden sich die Stadtverwaltungen mehrerer Kommunen wie etwa Münster, Hannover oder Frankfurt dazu, mehrere verkaufsoffene Sonntage ersatzlos zu streichen. Das führte wiederum zu großem Protest unter den Einzelhandelskaufleuten.

Das will die nordrhein-westfälische Landesregierung künftig verhindern und fasst die Sachgründe im Entwurf neu: „Märkte, Feste, Messen und sonstige Veranstaltungen stellen einen solchen Sachgrund dar, daneben werden in nicht abschließender Aufzählung weitere mögliche Sachgründe genannt: der Erhalt eines zukunftsfähigen und vielfältigen stationären Einzelhandels, Sicherung der Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche, Entgegenwirkens bei drohenden Fehlentwicklungen der örtlichen Lebens- und Wohnverhältnisse, insbesondere in den Innenstädten (Belebung der Innenstädte)“
Diese sollen auch kumulativ nebeneinander gelten können. Zudem soll es nicht erforderlich sein, dass durch die Verkaufsstellenöffnung die Ziele bereits vollumfänglich erreicht und umgesetzt werden, weil dies im Zweifel kaum bewiesen werden kann.

Ob diese Normänderung den Zweck des Sonntagsschutzes (§140 GG i.V.m. §139 WRV) zu sehr aufweicht wird sich noch zeigen. Profitieren werden jedenfalls die Kommunen mit größeren Freiheiten zur Festsetzung von verkaufsoffenen Sonntagen und der Einzelhandel.

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