Das Regierungsfindungsdilemma – oder: die Hängepartie

Jamaika – da liegt kein Segen drauf

Vor der Bundestagswahl 2017 habe ich geschrieben, dass es Neuwahlen geben wird. Damalige Kurzbegründung: Schwarz/Gelb reicht nicht, die SPD will und sollte nicht, Jamaika wird mehr als schwierig.

Und so ist es: Die Jamaika Sondierungsgespräche sind noch nicht vorbei und es ist unklar, ob es dann überhaupt Koalitionsverhandlungen geben wird. Aber selbst wenn es zu diesen kommen sollte, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass diese dann scheitern. Und selbst wenn es eine Jamaika Koalition geben sollte, wird sich diese auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen müssen. Deutschland würde nicht gestaltet werden, sondern noch mehr als vorher schon nur noch verwaltet.

Die Jamaika Alternativen

Aber wie sehen die Alternativen aus?

  1. Große Koalition
  2. Große Koalition ohne Merkel
  3. Minderheitsregierung der CDU/CSU (und ggf. der FDP)
  4. Minderheitsregierung der CDU/CSU (und ggf. der FDP) ohne Merkel
  5. Neuwahlen
  6. Neuwahlen ohne Merkel
  7. Minderheitsregierung einer anderen Koalition/Partei

Das letzte Szenario könnte sehr spannend sein und sogar für gute Ergebnisse sorgen: Christian Lindner vereinbart mit möglichst vielen Parteien, dass er flexibel sachbezogen Lösungen finden wird und lässt sich dann zum Kanzler wählen… Denken Sie das mal weiter. Dies ist aber aus vielen Gründen derzeit so unwahrscheinlich, dass ich darüber leider nicht weiter nachdenken muss. Gleiches gilt z.B. für eine RotRotGrüne Minderheitsregierung.

Also zu den anderen Varianten…

Große Koalition

Eine erneute große Koalition unter Merkel wird es nicht geben. Die SPD würde sich sonst absolut unglaubwürdig machen – so vehement hat sie dies ausgeschlossen. Bei der nächsten Wahl würde die alte Tante dann ein Ergebnis von weniger als 15% riskieren.

Einziges Fenster: Merkel stellt nicht die Kanzlerin. Diesen Weg hat sich zumindest Thomas Oppermann offengelassen, wenngleich er dafür innerparteilich stark kritisiert wurde. Aber ob sich die SPD dann aber besser profilieren könnte? Fraglich.

Dass es zu einer Groko kommt ist also extrem unwahrscheinlich. Zudem der Name Große Koalition angesichts der Mehrheit auch nicht wirklich passen würde, aber das nur am Rande.

Minderheitsregierung

Was verfassungsrechtlich möglich wäre: eine Minderheitsregierung – entweder nur von der CDU/CSU oder von CDU/CSU und FDP getragen – die sich mehr oder weniger wechselnde Mehrheiten suchen muss.

Zwar habe ich kurz nach der Wahl geschrieben, dass dies an sich nicht in der politisch gelebten Verfassungstradition der Bundesrepublik stünde, aber Dinge ändern sich – so sind in Skandinavien Minderheitsregierungen inzwischen eher die Regel denn die Ausnahme. Warum also nicht auch in Deutschland?

Allerdings traue ich Angela Merkel nicht die politische Gestaltungskraft zu, solch eine Minderheitsregierung zu führen. Leider. Und ob sie bereit wäre, unter diesen Umständen den Platz für einen neuen Kanzler frei zu machen, glaube ich nicht. Sie ist von einer Hybris getrieben.

Sollte es also eine Minderheitsregierung geben, wäre sie wie Jamaika wieder nur verwaltend und nicht gestaltend – und würde schnell wieder verschwinden. Es sei denn Merkel überrascht uns in die eine oder andere Richtung…

So oder so müsste die CDU die Zeit einer Minderheitsregierung nutzen, einen Nachfolger für Merkel aufzubauen. Hier rächt sich, dass die Kanzlerin alle innerparteiliche Konkurrenz klein gehalten hat.

Neuwahlen

Also doch wohl Neuwahlen? Wenn es diese mit dem alten Personal – also den gleichen Spitzenkandidaten – gäbe, würde sich wohl zur September Wahl nicht viel ändern. Die AfD vielleicht etwas stärker, die CDU schwächer und von einer CSU unter Seehofer wollen wir erst gar nicht reden.

Am Ende blieben wieder nur Jamaika, GroKo, Minderheitsregierun oder Neuwahlen. Keine echte Option und mithin den Wählern kaum zu vermitteln.

Neuwahlen ohne Merkel

Würde Angela Merkel die Größe aufbringen, bei Neuwahlen nicht wieder anzutreten, könnte eine Schwarz/Gelbe Mehrheit möglich sein.

Könnte – denn die Frage ist nicht nur, ob Merkel diese Größe hätte (nein, dazu bedürfte es des Dolchstoßes aus der Partei) sondern auch, wer dann Spitzenkandidat würde. Außer Jens Spahn fallen mir nicht viel ein. Aber der ist noch nicht weit und bekannt genug. Schäuble ist zu alt, Friedrich Merz zu sehr aus dem politischen Betrieb raus und unbekannt. Und nein, Ursula Leyen ist keine Alternative.

Also ein CSU Spitzenkandidat? Nördlich des Weißwurstäquators haben die es nie so leicht. Und hätte Deutschland zu Guttenberg wirklich verziehen?

Überhaupt die CSU – was mach die mit Horst Seehofer?

Und wen stellt die SPD auf? Wieder Schulz?

Welche Rolle wird Trittin bei den Grünen spielen?

Hat Christian Lindner zu hoch gepokert?

Wie gehen die Flügelkämpfe der Linken aus?

Nur die AfD kann sich zurücklehnen und muss an sich nur aufpassen, mit ihrem überwiegend sehr fragwürdigen Personal im Bundestag derweil nicht zu viel Porzellan zu zerschlagen.

Neuwahlen, bei denen zumindest CDU, CSU und SPD die Botschaft des Wählers ernst nehmen und mit neuen Spitzenkandidaten antreten, stellen die Parteien vor große Herausforderungen.

So große Herausforderungen, dass ich mir schnelle Neuwahlen mit erneuertem Personal kaum vorstellen kann. Leider. Denn dies würde ein spannender Wahlkampf

Vorerst Stillstand – eine Prognose wie es weitergeht

Wie geht es aber also weiter?

Ich bleibe daher bei meiner Einschätzung: Jamaika wird es nicht geben. Und wenn doch, dann nur für sehr kurze Zeit. Und letztlich macht das keinen großen Unterschied, denn wie oben schon betont, müsste sich Jamaika auf so viele kleinste gemeinsame  Nenner einigen müssen, dass die neue Regierung dann eben nicht gestalten kann.

Zwei Szenarien:

  1. Sollte es nach den Jamaika Sondierungsgesprächen Koalitionsverhandlungen geben, werden die sich sehr lange hinziehen. Und spätestens ein – wie gesagt unwahrscheinlicher – Koalitionsvertrag würde bei den Grünen und/oder bei der FDP durchfallen. Merkel würde eine Minderheitsregierung bilden, die sich aber nicht durchsetzen kann und an Sachfragen scheitert.
  2. Jamaika kommt doch, scheitert aber in der Praxis schnell an Sachfragen.

In beiden Fällen haben wir Neuwahlen noch 2018.

Wer dann für welche Partei antritt, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten entscheiden. Zumindest dies und der Wahlkampf werden spannend.

Doch eine an sich so sehr benötigte gestaltende durchsetzungsstarke Bundesregierung werden wir auf Monate hin nicht haben.

Stillstand.

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