THE REMAINS OF THE SWAY – oder: Was von Harvey hängen blieb…

Gastbeitrag von Michael Simon de Normier. Hier ist die Übersicht der Artikelserie.

Eine der Frauen, die ich toll finde, hat bereits in der Zeitung drüber gesprochen. Sensibel, schlau und einflussreich. Freilich spricht sie nicht über mich – oder: Gott sei Dank..!? Eine Schauspielerin bildhübsch und auch sexy ist sie, anstrengend sei das manchmal für sie, sagt sie da. Und ich wollte sie ohnehin schon kontaktieren, um etwas zu klären, was lange auf mir lastete. Vor drei, vier Wochen dachte ich das letzte Mal daran. Behaupte ich jetzt. Wahrscheinlich war es erst vor zwei Wochen, als das alles losging mit den Harvey-Enthüllungen…

Aber mal von Anfang. Vor rund zehn Jahren habe ich mir durch Näschen, Händchen und vorhandene Kontakte, die ich natürlich – da komme mir jetzt keiner mit Neid, Missgunst oder Häme – mit puritanischer Gewissenhaftigkeit erarbeitet hatte, eine Chance eröffnet und bei den Hörnern gepackt.

So (zwei Buchstaben, die noch einmal viel Strategie und eine wilde Phase spannender Verhandlungen erforderten) wurde ich Associate Producer der bislang bedeutendsten internationalen Filmproduktion, die jemals im Bundesland NRW stattfand – bzw. Koproduzent (gem. FFG – für die Experten!).
Und nun bin ich, nach zwei Publikationen, in denen ich mich einerseits oute, dass am Ende für mich eine „rote Null“ und ein Klinikaufenthalt mit jahrelanger Anschlusstherapie (Diagnose: schwere Depressionen) stand und andererseits Weinstein bezichtige, seine Geschäftspartner, wie mich, über den Tisch gezogen zu haben – gezielt und unter den Augen der hiesigen Wirtschaftsprüfung, die möglicherweise von den FilmfördererInnen, auch aus Staatsräson, gar nicht anders instruiert waren – in der Situation, noch einmal nachzulegen. Denn Letzteres zum Beispiel habe ich bislang nur angedeutet.

Und so möchte ich dieses und jenes noch einmal ausführen und mit meinen persönlichen Erinnerungen und losen Gedanken ergänzen.

Vorweg will ich schicken, was nicht untergehen sollte: Die Filmförderung ist eine gute Sache – an und für sich. Ohne gezielte staatliche Stützung gäbe es heute gar keine deutschen Kinofilme auf einem gewissen Niveau mehr, weil der Sprachraum einfach zu klein ist im Vergleich zum Weltmarkt. Wir würden noch mehr, eigentlich nur noch, Hollywood importieren. Unsere eigenen Leute würden auf Englisch drehen, um noch einen Markt zu finden. Da muss eine stolze Kulturnation, die das Weltkino miterfunden hat, eingreifen!

Internationale, teure Koproduktionen nach Deutschland einzuladen und – der Markt folgt dem Ruf des günstigen Geldes – mit Finanzspritzen anzulocken, lohnt sich für Deutschland: Kulturell, konjunkturell und mit Kompetenztransfer bereichern solche Produktionen den Standort!

Schön wäre noch – aus aus marktwirtschaftlicher statt planwirtschaftlicher Sicht – wenn aus Erfolgen dann auch eine Kapitalisierung hiesiger Hersteller erwachsen könnte. Wenn es fair zugehen würde, könnte selbst ein minoritär beteiligter Filmemacher eines Riesenerfolges mit 100 Mio US$ Box-Office oder mehr – eine Million machen und reinvestieren. Das ist auch vielerlei Gründen bislang nicht der Fall.

Derzeit, wo mit den neuen Kanälen neues Geld in den Markt fließt und Ideen – Intellectual Property – neue Wertschätzung erfahren, scheint es mir noch am lukrativsten, sie zu verkaufen. Vergangenes Jahr bat mir Warner Bros. einen netten, sechsstelligen Betrag an für ein Drehbuch mit Superstar attached.

Eine Art Buyout.

Aber ich bin begreife mich (bislang) als Filme-Macher. Ich will dabei sein, wenn mein Babyzur Welt kommt und ihm das Laufen beibringen. Nicht vom Hof gejagt werden. Das habe ich schon durch..!

Noch etwas: Die Filmstiftung und vergleichbare Fördereinrichtungen, die mit Steuern- und Gebührengeldern arbeiten, müssen den Bürgern klarmachen, wo das Geld bleibt. Das ist einerseits eine Forderung nach Transparenz. Andererseits zwingt es auch den Filmhersteller Öffentlichkeitsarbeit schon im Entstehungsprozeß zu machen.

Ich finde das okay!

WAS WAR?

So, jetzt zu Harvey, der sich selbst ungeniert als größtes Drecksschwein bezeichnet, das man sich in den schlimmsten Albträumen nicht widerwärtiger vorstellen könnte.

Sein Bruder betrachtet ihn als Betrüger.

Dazu habe ich eigentlich nichts zu ergänzen.

Vielleicht ein paar Details noch, oder ein Blick, was dahintersteht: Ja, ich habe ihm ALLES zugetraut. Das ist die Frage, die wir uns alle selbstkritisch, nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft stellen müssen: Macht man Geschäfte mit Menschen, denen man wirklich alles zutraut? Bis wohin gehen wir mit? Und wohin führt dieses „alles“…?!!! Mord? Einen Mord traut jeder intelligente Mensch sich auch selber zu, habe ich Camus in Erinnerung. Ja, insofern hätte ich Harvey tatsächlich sehr, sehr viel- wenn nicht gar alles zugetraut…!

Emma Thompson hat recht, wenn sie sagt, dass es nicht viele gibt, die so extrem sind. Aber das muss es auch gar nicht: es ist schlimm genug, dass es Menschen in der Branche und außerhalb gibt, die in Ansätzen ähnliche Züge zeigen -bedauerlicherweise ohne sich damit sofort, automatisch und nachhaltig ins Abseits zu schießen. Damals, als Seiteneinsteiger, neu auf dieser Flughöhe und im internationalen Biz, habe ich die Summe der Überlieferungen und Andeutungen als gegebenen Ist-Zustand einen Systems hingenommen und nicht weiter hinterfragt. Die gängige Praxis, die insbesondere Harvey Weinstein in zotigen Sprüchen, (nichtwitzigen) Witzen am Rande und der ein oder anderen Anekdote, von der man nie weiß, ob sie so stichhaltig ist, wie die von der Maus im Jumbojet – nachgesagt wurde; das war empörend irgendwie, erschreckend. Hmm.

Eine Diagnose, das wars!

Aber statt zu zögern, mit Leuten wie Harvey Weinstein zusammen zu arbeiten, zieht man Umkehrschlüsse von dem Ruf, der ihm vorauseilt – auf die Schauspielerinnen seiner Wahl: Anfangs hatte ich glatt Nicole Kidman im Verdacht… – oder habe mich bei Kate ungläubig gefragt: die etwa auch…?! Dass die große Kidman und die so liebreizende wie pfundskerlige Kate Winslet nicht die Typen sind, die Weinstein „einen blasen“ (Verzeihung, aber so die Standardformulierung, für das, was als zwingende (!) Zugangsvoraussetzung zu Weinstein gemunkelt wurde), habe ich schnell mit umso größeren Respekt erfasst. So eine soll meine Tochter mal
werden! Im Umgang mit Menschen und Männern. Aber nach Möglichkeit bitte keine Schauspielerin.

to be continued

Links zum Thema

Viel Sexismus in der deutschen Filmbranche

Harvey Weinstein

In Köln wurde aus Kate Hanna

Michael Simon de Normier

Weinstein – Deutscher Filmproduzent packt aus

So trickste Harvey Weinstein NRW aus

Film Boom under Merkel

The Reader

Neues Geld im Spiel

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Warum starb Camus

Emma Thompson-Interview auf Youtube

Die Maus im Jumbo Jet

Pregnant Nicole Kidman turned down Oscar winning role in The Reader over concerns the harrowing themes would ‚penetrate‘ her unborn baby

2 Antworten auf „THE REMAINS OF THE SWAY – oder: Was von Harvey hängen blieb…“

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