Die einen posten weinende EU-Fahnen, die anderen besingen den Anfang vom Ende der EUdSSR, die einen sind plötzlich für Referenden, die anderen plötzlich dagegen und die Bayernpartei bereitet den Austritt des Freistaats aus Bundesrepublik, EU, UNO und der geheimen Illuminaten-Weltorganisation vor. An den Börsen ist Panik und Währungen brechen ein. Und dann fordert die EU noch, dass London jetzt ganz schnell das Verfahren nach Artikel 50 einleiten muss.
Lasst es mich mal so sagen:
Noch ist Großbritannien in der EU. Noch gilt dort EU Recht. London ist immer noch die coolste Stadt der Welt, die Schotten sind auch noch nicht direkt aus dem UK ausgetreten, jeden Morgen geht die Sonne auf und es gibt weiter Baked Beans zum Frühstück. Das Leben geht seinen mehr oder weniger geregelten Gang.
Alles was wir jetzt nicht brauchen, sind Panikreaktionen und Verhärtungen der Fronten.
Die Situation ist jetzt nun einmal da und jetzt sollten Großbritannien und die EU zusehen, wie sie das beste daraus machen können.
Es mag eine erste Trotzreaktion der EU Verantwortlichen sein, den sofortigen Start des Brexit Verfahrens zu fordern. Und es wird dort auch den ein oder anderen Kopf geben, der es den Briten so hart wie möglich machen will, nur damit andere Länder nicht den gleichen Weg gehen.
Blödsinn. Die britische und die restliche europäische Wirtschaft sind viel zu eng verwoben. Da sollten alle aus eigenem Interesse darauf achten, möglichst wenig Porzellan zu zerschlagen. Und eine EU, die ihre Mitgliedstaaten nur durch Druck an sich binden kann, will ich nicht haben. Wir sind ja nicht in der Sowjetunion.
Das eigentliche Problem ist: In vielen Mitgliedstaaten der EU ist die Bevölkerung polarisiert. Das haben wir letztens erst bei den Präsidentschaftswahlen in Österreich gesehen und jetzt in Großbritannien.
Es ist jetzt Aufgabe der Regierungen – aber auch der Meinungsführer – nicht weiteres Öl ins Feuer zu gießen, sondern dafür zu sorgen, dass die Gräben, die schon da sind, nicht noch größer werden, sondern zugeschüttet werden. Das geht nur, wenn sich alle zuhören, Sorgen und Ängste ernst genommen werden und Kompromisse gefunden werden.
Natürlich wird Großbritannien Extrawürste bekommen müssen, auch wenn EU Ratspräsident Donald Tusk, Parlamentspräsident Martin Schulz, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der niederländischen Premierminister Mark Rutte das heute anders sehen. Und vielleicht werden dann auch andere Länder dem britischen Beispiel folgen. So what. Vielleicht ist genau das die Möglichkeit, die Kern-EU zu intensivieren und insbesondere zu demokratisieren.
Wenn jetzt alle besonnen reagieren, könnte es ein besseres Europa werden.