Dass man in Köln an besonderen Tagen wie Silvester oder Karneval auch viel Hilfsbereitschaft erfahren kann, zeigt dieser Gastbeitrag. Der Autor ist uns persönlich bekannt.
Karneval sollte Jedem ein Begriff sein. Insbesondere Köln gilt hierbei als Karnevalshochburg, was eigentlich nur eines bedeutet: Zur Karnevalszeit ist Köln voll. Und die Leute in Köln auch.
Doch obwohl in Köln an Rosenmontag gefühlte 80% der Leute einen geschätzten Promillewert von „nur ein Glas Bier… na gut, eine Flasche. Ich geb’s ja zu; ich hab den ganzen Kasten getrunken“ haben, konnte sich Köln auch an diesem Tag von einem seiner schönen Seiten zeigen.
Mein bester Freund und ich entschieden uns schon vor mehreren Wochen dafür, Rosenmontag in Köln zu feiern. Dies wollten wir, wie für zwei junge Männer üblich, auch mit ordentlich Alkohol tun. Schließlich musste für mich ja auch noch eine Freundin gefunden werden (Anmerkung: im Nachhinein merken wir schon selber, wie dämlich das klingt).
Als wir also schon am Karnevalssonntag ordentlich in die Nacht rein gefeiert hatten, auch, um den Superbowl bloß nicht zu verpassen, wollten wir am darauffolgenden Montag schon früh zum Dom fahren, um uns dort einen guten Platz am Rosenmontagszug zu ergattern. Wir stiegen um 12:15 in die Bahn und wie es an Karneval so ist, fingen wir schon nach ca. 5 Minuten an zu trinken. Natürlich, stilvoll ist das nicht, und um hier keinen zum Trinken zu animieren: einfach weiterlesen.
Fast forward ein paar Stunden: Wir hatten beide ordentlich was intus. Am Nachmittag schon waren wir so betrunken, dass ich mich selber nicht mehr richtig an alle Details des Tags erinnere, geschweige denn Uhrzeiten weiß. Jedenfalls schien es grade dunkel zu werden als mein Freund meinte, er müsse sich mal setzen, da es ihm nicht gut ginge. Details will ich ersparen, aber er musste sich übergeben. Da er jedoch noch ansprechbar war und sich auch noch irgendwie auf den Beinen halten konnte, entschlossen wir uns, in den Bahnhof zu gehen. Er hatte unbedingt die nächste Bahn nach Hause nehmen wollen, doch ich merkte schon, dass das nichts wird. Um ihn jedoch ein wenig zu beruhigen, stimmte ich der Idee, erstmal zum Bahnhof zu gehen, zu.
Da waren wir nun an unserem Gleis und glücklicherweise kamen uns zwei Zufälle sehr gelegen.
- Unsere Bahn kam erst in 20 Minuten und
- Wir standen direkt am Mülleimer.
Bei meinem besten Freund schien sich keine Besserung breit zu machen nachdem er sich mehrfach in den Mülleimer übergeben hatte, also setzte er sich auf den Boden direkt an der Mauer, die die Treppe umrandet.
Betrunken wie ich war, war ich mit der Situation selber überfordert. Ich sicherte ihm, als er sehr schlapp und müde, fast regungslos, aber offensichtlich noch ansprechbar und bei Bewusstsein war, immer wieder zu, bei ihm zu bleiben und ihm zu helfen. Alles werde gut werden. Zur kurzen Orientierung schon mal vorweg: wir saßen ungefähr eine Stunde an besagtem Bahngleis.
Selbstverständlich schauten einige Leute recht angewidert auf uns hinab. Jedoch zeigte Köln für uns an diesem Abend auch seine verständnisvolle und menschliche Seite. Nach nur kurzer Zeit kam eine junge Dame zu uns, die für noch einige Minuten auf ihren Zug warten musste. Sie zeigte sich einigermaßen verständnisvoll für die Situation meines Freundes und für meine scheinbare Überforderung. Kurz kniete sie nieder und bot meinem Freund etwas von ihrem Orangensaft an; er bräuchte schließlich nun Flüssigkeit und Zucker. Zucker, das helfe ihm jetzt ganz sicher. Mein Freund trank ein paar Schlucke doch schnell musste die Frau weiter, da ihr Zug einfuhr.
Trotzdem dauerte es nicht lange, bis schon die nächste Hilfe herbei eilte. Ich selber wurde mir langsam etwas klarer im Kopf und konnte zumindest wieder der Situation bedingt ordentlich denken. Sich übergeben musste mein Freund nun schon seit mehreren Minuten nicht mehr (ob der Saft wirklich geholfen hat, oder ob die Sitzposition dies verhindert hat, sei mal dahingestellt). Zwei Menschen der DB Sicherheit kamen zu uns und ich erklärte ihnen die Situation. Jedoch sagte ich auch, dass medizinische Hilfe zu dem Zeitpunkt noch nicht nötig sei. Wasser bräuchte er jedoch. Dies war blöderweise schon länger leer.
Der freundliche Mann des DB Sicherheit-Duos bot daraufhin an, etwas Wasser zu besorgen. Daraufhin verschwanden die zwei; der Sicherheitsbeamte wollte bald mit etwas Wasser zurück sein. Ziemlich zeitgleich dazu fuhr auch unsere Bahn in den Bahnhof ein. Mein Freund sprang auf und wollte unbedingt in diese Bahn einsteigen. Mit etwas Körperlichkeit und konstantem Aufihneinreden gelang es mir jedoch, ihn davon zu überzeugen, lieber die nächste Bahn zu nehmen. Er war einfach noch nicht fit genug, um jetzt schon mit der Bahn zu fahren. Diese Entscheidung sollte sich als gut herausstellen; der Mülleimer musste erneut herhalten.
Bald saß er sich wieder. Kurz darauf kam der Mann der DB Sicherheit wieder. Er brachte einen Trinkkarton an stillem Wasser mit. Mein Freund trank in kleinen Schlucken; das Wasser tat ihm sichtlich gut. Ich bedankte mich und der DB Sicherheit-Mann ging wieder; er konnte schließlich auch nicht mehr tun als ich.
Mein Freund saß also dar und trank. Währenddessen fing ich ein wenig an, mich mit Leuten zu unterhalten. Natürlich blieb ich immer direkt neben meinem besten Freund aber ich konnte leider nicht viel machen außer warten, dass es ihm etwas besser geht. Nach einiger Zeit jedoch entschloss ich mich dazu, bei der Polizei nach Rat zu fragen. Ich sprach nochmal einen der Passanten an und fragte, ob er nicht mal kurz auf meinen Freund aufpassen könnte; ich sei sofort wieder da. Die Person stimmte sofort zu und sah mit betroffenen Blick zu meinem Freund rüber. Ich eilte herunter und fand auch sofort Polizeibeamte, die mir helfen konnten. Ich sollte sie zu meinem Freund führen und das tat ich dann auch. Zugegeben; ich war selber noch sehr betrunken und führte die Beamten versehentlich in die falsche Richtung, aber nach hoffentlich nicht zu langer Zeit waren wir dann bei meinem Freund. Zu sehen war dann, wie die Frau, die ich angesprochen hatte, sich sehr nett und hilfsbereit um meinen Freund gekümmert hatte. Sie unterhielt sich – so wie es möglich war zumindest – mit ihm, um ihn ein wenig zu beschäftigen und abzulenken. Die Polizeibeamten prüften die Lage, Fragen hier und da nach Details wie dem Namen usw. und halfen mir dann, meinen besten Freund weiter zu betreuen. Unser Zug würde jedoch in nur wenigen Minuten einfahren.
Die Beamten sagten mir, wie auch sie nicht viel machen könnten. Das Einzige, wurde mir gesagt, was möglich wäre, wäre, dass sie mir helfen, meinen Freund auf jeden Fall in den Zug zu setzen, ab wo ich ihn dann alleine wieder betreue, bis wir zuhause sind. Dem stimmte ich zu und die Beamten halfen mir, meinen noch immer sehr benommenen Freund in die Bahn zu setzen.
Doch da saßen wir dann. Ihm war noch immer schlecht, eine Tüte oder Ähnliches hatten wir nicht. Lediglich etwas Wasser hatte er.
Doch dann sprachen mich drei Personen an, die die Situation scheinbar mitbekommen hatten. Ich glaube nicht, dass sie zusammen gehörten, aber sie saßen direkt um meinen Freund und mich herum und sicherten mir Hilfe zu. Eine Frau reichte mir ein Taschentuch, die zweite eine Tüten, die ich beide meinem Freund in die Hände drückte. Wir unterhielten uns und passten alle zusammen darauf auf, dass meinem Freund nichts passiert. Wir lenkten ihn auch, soweit nötig, ein wenig ab und sicherten ihm Hilfe zu.
Als ich kurz vor der Station meines Freunds und mir sagte, ich müsse bald aussteigen, sagte einer der drei Personen, dass sie mir helfen kann, ihn nach Hause zu bringen. Sie müsse auch in diese Richtung laufen (ob sie trotzdem hätte an der gleichen Station aussteigen müssen, weiß ich an der Stelle nicht, aber ich denke, sie hätte weiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren müssen). Weit war die Strecke schließlich nicht.
Als wir ausstiegen half sie mir, meinen Freund zu stützen und wir gingen die fünf Minuten, die ich vom Bahnhof weg wohne, zu mir nach Hause. Bis an die Haustür brache sie ihn mit mir.
Zuhause haben wir meinen Freund dann wieder weiter versorgt und ihn ins Bett gelegt. Am nächsten Morgen hatte er über all das kein Wissen mehr, aber am späten Mittag, als er endgültig nach Hause musste, bedankte er sich noch bei mir. Einiges war wohl doch hängen geblieben.
Zwei Tage später traf ich den Mann, der mit uns im Zug saß und zu den bereits erwähnten drei Personen gehörte, beim Einkaufen. Er erkundigte sich über meinen Freund und war froh, dass soweit alles in Ordnung war. Er zeigte nochmals Verständnis für die Situation meines Freundes und beteuerte, er würde dies von sich selber auch kennen. Es sei also alles in Ordnung.
Allgemein zeigten sich alle Personen, die, wie erwähnt, mit der Situation zu tun hatten, sehr hilfsbereit und verständnisvoll (schließlich kamen einige von ihnen ja auch von sich aus auf uns beide zu…).
Dabei muss ich wirklich sagen, dass es mich überrascht hat, wie hilfsbereit die Menschen doch waren. Ich hätte nicht erwartet, dass Menschen von sich aus so viel Hilfe anbieten, bzw. dann doch auch sehr verständnis- und rücksichtsvoll reagieren, wenn sie angesprochen werden. Ein paar außenstehende haben sicherlich geguckt, aber im Großen und Ganzen ist mir niemand aufgefallen, der einen negativen Eindruck hinterlassen hat.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Menschen, wenn andere Menschen offensichtlich Hilfe benötigen, oft weggucken. Doch trotz dessen, dass viele an dem Tag am Bahnhof selber auch etwas getrunken haben (davon gehe ich am Rosenmontag einfach mal aus), war das dieses Mal nicht so. Das überrascht mich und macht mich auch etwas glücklich.
Man gewinnt so dann auch ein Stück weit den Glauben an die Menschlichkeit zurück.