Des Gottschalks neue Kleider

Eigentlich wollte ich mich über Gottschalk nie äußern. Anders als bei Wulff kann man sich schließlich entscheiden, ob man ihn sich antun will oder nicht. Und ich möchte das nicht – ganz einfach, weil ich seine selbstverliebte Art, zu moderieren, nicht mag. Auch habe ich nie verstanden, warum Millionen Deutsche glaubten, er wäre ein guter Entertainer und Moderator. Zugegeben, der „Deutsche an sich“  scheint gerne auf Blender hereinzufallen. Aber das sind andere Geschichten, von denen die schlimmsten zum Glück seit rund 67 Jahren vorbei sind.

So oder so: lange Jahre hat sich ein Großteil des deutschen TV-Publikums also täuschen lassen und geflissentlich übersehen, dass der Herrscher der großen Samstag-Abend-Show eigentlich nackt ist. Seine schönen Kleider existierten nur in der gruppendynamischen gemeinsamen Einbildung. Ähnlich wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ (das allerdings von einem Dänen ist, der sich von einer spanischen Überlieferung aus dem 14. Jahrhundert inspirieren ließ).

Der aktuelle Kleiderwechsel zu „Gottschalk Live“ ist ihm jedenfalls nicht geglückt. Denn irgendjemanden ist aufgefallen, dass da ja wirklich nichts dahinter steht. Und plötzlich sehen es alle: Die Zuschauer, die ihn endlich abschalten und auch die Kritiker. Wenn sie die Show übrigens noch nicht gesehen haben, lesen Sie einfach einmal diese beispielhafte Beobachtung im Segeln-Magazin – dann wissen sie, warum es kaum noch einer aushält, eine ganze Gottschalk-Show durchzuhalten. Bedenkt man dabei, dass man bei der ARD zu dieser Zeit 1 Million Zuschauer ja schon allein dadurch hat, da das Programm den Vorleser in Altenheimen ersetzt, sieht ihm faktisch kein Mensch mehr freiwillig zu.

Nur die Damen und Herren von der Bild-Zeitung stehen in nibelungenhafter Untergangstreue zu ihrem Thommy und verteidigen ihn gegen alle Kritik und das böse Spiel der ARD. Nun ist es vielleicht tatsächlich nicht schön, wie hinter den Kulissen gegen Gottschalk intrigiert wird, doch sollte man anerkennend feststellen, dass er mit den aktuellen Quoten in Kombination mit dem desaströsen Presseecho „beim RTL“ und den anderen Privatsendern schon lange hochkant rausgeflogen wäre. Insoweit kann er der ARD noch dankbar sein, dass sie ihm die Chance zum Umbau geben.

Oder besser nicht?

Denn mit jeder Sendung merkt das Publikum ein bisschen mehr, dass auch ein vermeintlicher Show-Titan nur ein nackter alter Medienmann ist.

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