Über Reue, Vergebung und Wulff

Nachdem Wulff vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten war, wurden von verschiedener Seite Stimmen laut, es müsse nun einmal Schluss sein mit der Diskussion über ihn und ihm müsse vergeben werden.

Doch vor dem Vergeben kommen Reue und Buße.

Seinen Ursprung hat dieses Verständnis sicherlich in den Religion. Besonders ausgeprägt ist dies z.B. bei der katholischen Beichte, aber aber auch Luther stellte in der ersten seiner 95 Thesen fest, „dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll“. Im Islam ist „An-Nadam“, die Reue für die begangenen Sünden, wichtigste Voraussetzung für deren Vergebung. Und auch im Judentum findet der reuige Sünder diese Vergebung, was in der Teschuwa, der jährlichen 10 Tage der Umkehr, deutlich wird. Das gleiche Verständnis finden wir auch bei Religionen, die weiter von unserem Kulturkreis entfernt sind: so z.B. beim Hoʻoponopono, einem komplexen Buß- und Vergebungsritual südpazifischer Religionen. Ebenso im Buddhismus sind „Reue“, „Buße“ und „Umkehr“ wichtige Elemente auf dem Weg zur vollkommenen Befreiung.

Die Idee ist also so universell, dass sie sich von der Religion gelöst hat und Grundlage moderner Zivilgesellschaften geworden ist, was sich z.B. in unserem Strafrecht wiederspiegelt.

Ob die Fakten, die letztlich zu Wulffs Rücktritt führten, strafrechtlich relevant sind oder nicht, ist zwar zunächst unerheblich. Denn ein so kreativer Umgang mit der Wahrheit, das Brechen öffentlicher Versprechen und Gier sind zumindest moralisch verwerflich.

Doch dafür fehlt Wulff die Einsicht. Hätte nicht die Hannoveraner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn eingeleitet – wir müssten uns noch heute für den Präsidenten fremdschämen.

Kein Verzicht auf den Ehrensold, Bestehen auf eine Verabschiedung mit dem großen Zapfenstreich, Einfordern von Büro und Mitarbeitern – Einsicht, Reue oder gar Buße sehen anders aus. Um so verwunderlicher ist dies, als dass doch Wulff Katholik ist und ihm der Mechanismus von Reue und Vergebung geläufig sein sollte.

Aber wer weiß, vielleicht überrascht er uns nach seinem Aufenthalt im Kloster, wird einen Teil seines Ehrensoldes spenden, sein Büro für gemeinnützige Zwecke spenden und sich entschuldigen. Besser spät als nie.

Andererseits machen Psychologen darauf aufmerksam, dass es Menschen gibt, die zu Reue nicht fähig sind. Wünschen würde ich mir, dass Christian Wulff sich und uns beweist, dass dies bei ihm nicht der Fall ist.

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