Privatnotiz: 2. Dezember 1992

Wohl am 2. Dezember 1992 ist dieser Beitrag von mir in einer Zeitung erschienen, angesichts des Layouts vermute ich die Computerwoche, sicher bin ich mir aber nicht mehr.

Jedenfalls hatte meine Mutter obigen Ausschnitt an diesem Tag in ihr Tagebuch geklebt. Und irgendwie mutet dieser Artikel von der Grundtendenz her noch aktuell an…

Der Anwender sollte nicht länger als Betatester mißbraucht werden

Ein neuer Trend hat sich in den letzten Jahren im PC-Markt und da besonders bei der Software mehr und mehr durchgesetzt: Betatester ist der Endanwender. Man denke da nur an die erste Version von Wordperfect für Windows, an IBMs Betriebssystem OS/2 oder Lotus 1-2-3 für Windows. Aber auch im Hardwarebereich lassen sich Beispiele zitieren wie die ersten 486er Prozessoren von Branchenprimus Intel.

Ausnahmen der Regel lassen sich dagegen kaum noch finden, und wenn, dann eigentlich auch nur in Segmenten. wo der Hersteller keine Konkurrenz zu fürchten hat: So legt Intel inzwischen keine Eile mehr an den Tag, den 486-Nachfolger Pentium auf den Markt zu bringen, da ein Konkurrent, nicht zuletzt dank schlagkräftiger Rechtsabteilung, noch nicht in Sicht ist. Doch warten wir ab, was passiert, wenn AMD demnächst einen echten 486-Clone auf den Markt bringt. Der Pentium ist dann gewiß schneller da, als wir ihn im wahrsten Sinne des Wortes brauchen können. Ich darf nur daran erinnern, daß besagter Pentium, damals noch unter dem Namen P5 respektive 586, schon einmal vor der Tür stand und erst zurückgezogen wurde, als abzusehen war, daß ein AMD486 wegen rechtlicher Bedenken so bald nicht erscheinen würde.

Ein zaghaftes Umdenken deutet sich derzeit beim Softwareführer Microsoft an. Das neue 32-Bit Betriebssystem Windows NT wird wohl erst im zweiten Quartal 1993, und nicht, wie zunächst projektiert, im dritten oder vierten Quartal 1992 erscheinen. Bei der Softwaresehmiede hat sich vermutlich die Erkenntnis durchgesetzt, daß User und vor allem Großanwender, mit denen man es im NT-Markt insbesondere zu tun haben wird, es sich nicht leisten können und wollen, von einem instabilen Betriebssystem abhängig zu sein, das wegen undefinierbarer Fehler abstürzt und den Arbeitsfluss stoppt.

Dieses Umdenken ist jedoch für die Softwarehersteller lebensnotwendig; denn auch alle anderen Anwender werden ihre Kaufentscheidung zunehmend nicht mehr davon abhängig machen wollen, wer der erste mit einer neuen Programmgeneration ist. Sie werden eher darauf achten, daß mit einem stabilen Produkt effizient gearbeitet werden kann. Und Fehlermeldungen wie die in Microsofts Word für Windows, Version 2.0, daß ein zweiseitiger Text zu umfangreich zum Speichern ist, kommen der Arbeitseffizienz definitiv nicht entgegen. Natürlich ist in der Version 2.0a dieses Problem behoben; aber weswegen konnte nicht schon das erste frei erhältliche Release frei von solchen Mängeln sein? Das Austesten komplexer Programme auf Verschiedenen Konfigurationen ist gewiß nicht billig. Aber ein schlechter Ruf kann dem Hersteller noch teurer zu stehen kommen.