Liedtext: Bald ist Wilhelm wieder da (Knallt ab den Walther Rathenau)

Lasst uns froh und munter sein,
Schlagt dem Wirth den Schädel ein.
Lustig, lustig trallerallala,
Bald ist Wilhelm wieder da!

Wenn einst der Kaiser kommen wird,
Schlagen wir zum Krüppel Dr. Wirth,
Knallen die Gewehre tack, tack, tack
Aufs schwarze und das rote Pack.

Haut immer feste auf den Wirth!
Haut seinen Schädel, dass er klirrt!
Lustig, lustig trallerallala,
Bald ist Wilhelm wieder da!

Auch Rathenau, der Walter,
Erreicht kein hohes Alter,
Knallt ab den Walther Rathenau
Die gottverdammte Judensau!

Gesungen zur Melodie von „Lasst uns froh und munter sein“.

Joseph Wirth war vom 10. Mai 1921 bis zum 14. November 1922 Reichskanzler der Weimarer Republik.
Walther Rathenau war Außenminister und wurde tatsächlich in diesem politischen Klima ermordet. Wirth hielt später anlässlich Rathenaus Ermordung eine Rede.

Die letzte Zeile wurde auch manchmal gesungen:

Die gottverfluchte Judensau.

Dokumentiert: Rede des Reichskanzlers Dr. Joseph Wirth anläßlich der Ermordung Walther Rathenaus

Diese Rede hielt am 24. Juni 1922 Reichskanzler Dr. Joseph Wirth anlässlich der Ermordung des Außenministers Walther Rathenau am  gleichen Tag vor dem Reichstag:

Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung schließt sich den ehrenden Worten, die der Herr Präsident für den schmählich ermordeten Reichsminister Dr. Rathenau zu sprechen die Güte hatte, von ganzem Herzen an. Ich darf einen bedeutsamen Vorgang in Ihre Erinnerung zurückrufen. Wenige Wochen sind vergangen, da versammelten sich im Palast San Giorgio in Genua die Vertreter aller Nationen zu der Schlußsitzung der Konferenz. Es war ein großer denkwürdiger Augenblick. An unserem Ohr rauschten die Reden der Staatsmänner vieler Staaten vorbei. Da erhob sich unser Freund, Herr Dr. Rathenau. Aus seinem Munde quollen Perlen edler Worte; getragen von größter humanitärer Gesinnung, hat er Worte der Verständigung, die ausgehen von den Tatsachen der wirtschaftlichen Nöte der Welt und der Weltverschuldung, in den Saal hineingesprochen in seiner edlen, vornehmen Ruhe, die die Herzen auch derer, die uns bis dahin vielleicht stark abgeneigt gegenüberstanden, geöffnet hat. Man hat seine Worte im Palazzo San Giorgio wohlverstanden, und ein nie gesehener, rauschender Beifall aller anwesenden Frauen und Männer dankte dem Manne, der über die Grenzpfähle seiner Nation hinaus der Welt den Weg zur wirtschaftlichen Verständigung und damit zum Frieden mit bewegtem Herzen gewiesen hat.

Nun liegt er tot vor uns. Seinen Platz schmückt ein umflortes Rosenbukett. Er fiel nicht nur für sein Volk, er fiel, um die Menschen Versöhnung zu lehren. Aber wehe denen, die dieses große Werk der Versöhnung der Nationen mit diesem Morde störten! Das Werk darf nicht unterbrochen werden. Wir müssen dieses Werk, das wir unter schweren Nöten begonnen haben, fortsetzen. Es ist auch das Werk der Rettung unseres Volkes, es ist das Werk der Rettung von ganz Europa.

Wir sind Herrn Dr. Rathenau näher gestanden; wir nannten ihn unseren Freund. Ich darf in Ihrer Mitte aufrichtig sprechen. Gewiß hat Herr Dr. Rathenau viele Gegner gehabt. Ich weiß nicht, woraus die Gegnerschaft geflossen ist. Aber von dem Augenblick an, wo er öffentlich in den Dienst des deutschen Volkes und in den Dienst der Deutschen Republik getreten ist, hatte er nicht nur Feinde, da hatte er Todfeinde.

(Sehr Wahr! links.)

Und nun, meine Damen und Herren, dieses Werk, das er sich vorgesetzt hat, die Rettung des deutschen Volkes unter der Staatsform der Republik, darf durch diesen Mord und durch diesen Tod nicht unterbrochen werden.

(Bravo links!)

Im Gegenteil, alle wahren Republikaner Deutschlands und alle, die es gut meinen mit ihrem Vaterlande und ihrem Volke, werden aus diesem Tod die größte Kraft schöpfen, um denen einen Damm entgegenzusetzen, die unserem Volke Verwirrung und Tod bereiten wollen.

(Stürmischer Beifall und Händeklatschen im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten, der Bayerischen Volkspartei und links sowie auf den Zuschauertribünen.)

Insbesondere geht mein Mahnruf an die Arbeiterschaft ganz Deutschlands. Die Arbeiterschaft hat in bitteren Tagen, wo das Chaos über uns hinwegging, keinem, der der alten Gewalt treu geblieben ist, auch nur ein Haar gekrümmt. Ich bin ihr dankbar dafür, und so soll es auch in Zukunft bleiben.

(Lebhafte Zustimmung links.)

Nennen Sie einen prononcierten Vertreter rechtsgerichteter Auffassung im deutschen Lande, dem auch nur ein Haar gekrümmt worden ist!

(Erneute Zustimmung links.)

Aber von dem Tage an, wo wir unter den Fahnen der Republik aufrichtig diesem neuen Staatswesen dienen, wird mit Millionengeldern ein fürchterliches Gift in unser Volk geleitet.

(Stürmische Zustimmung und Zurufe links.)

Es bedroht von Königsberg bis Konstanz eine Mordhetze unser Vaterland, dem wir unter Aufgebot aller unserer Kräfte dienen. Da schreien sie es hinaus in großen Versammlungen, daß das, was wir tun, ein Verbrechen am Volk wäre; da wird nach dem Staatsgerichtshof geschrieen,

(lebhafte Rufe links: Helfferich!)

und dann wundert man sich, wenn verblendete Buben nachher zur Mordwaffe greifen.

(Erregte Zurufe auf der äußersten Linken.)

Unser toter Freund, den wir kannten und den zu kennen ich mehr als zwei Jahre die Ehre hatte – ich glaube, ich kann meine Kollegen alle zu Zeugen anrufen – hat gegen die, die ihn seiner Rasse wegen schmählich angegriffen haben, die ihn weiter angegriffen haben als Diener der Republik und als Bahnbrecher einer wahren Verständigung der Völker, nie ein scharfes Wort gesprochen.

(Lebhafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten.)

Niemals kam über seine Lippen, weder im Kabinett, noch im Freundeskreise, noch in Gesprächen unter vier Augen, auch nur ein böses Wort gegen diese Feinde.

(Zustimmung.)

Er hat nicht nur verziehen mit den Lippen, er hat auch im Herzen allen denen verziehen, die ihn in den letzten Monaten und Jahren geschmäht hatten. Er war eine kindliche Seele. Noch gestern mittag hat er ihm neuerdings angebotenen Schutz unter allen Umständen abgelehnt.

(Hört! Hört!)

Er traute niemandem eine derartige Tat zu und hat noch in diesen Tagen den Gedanken, daß man ihm nach dem Leben trachten könne, als unmöglich abgetan.

(Zuruf von den Kommunisten: Er kennt aber Helfferich nicht!)

Meine Damen und Herren! Nachdem die Reichsregierung in Dr. Rathenau einen unermüdlich für das Wohl des Vaterlandes besorgten verdienstvollen Staatsmann, einen Freund und das deutsche Volk einen großen Sohn verloren hat, wollen wir aus dieser Tat, aus dieser entsetzlichen Schandtat, die wir beweinen und betrauern, angesichts der ungeheuren, beispiellosen Hetze in einem Teil der Öffentlichkeit in aller Nüchternheit und bei aller Verantwortung doch das eine lernen, geehrte Herren von rechts: So wie es bisher gegangen ist, geht es nicht mehr in Deutschland.

(Stürmischer Beifall und Händeklatschen im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten, bei der Bayerischen Volkspartei, bei den Sozialdemokraten, bei den Unabhängigen Sozialdemokraten und bei den Kommunisten. – Händeklatschen auf den Tribünen.)

Mahnend und flehend habe ich im letzten Jahre in Biberach am Grabe eines ebenfalls schmählich Ermordeten gerufen: Sorgt in deutschen Landen dafür, daß die Mordatmosphäre allmählich zurückgeht! Der Mahnruf war vergebens. Arbeiter aller Parteien und insbesondere Sie, Vertreter einer wirklich freiheitlichen bürgerlichen Auffassung, schützt die Republik und unser teures, geliebtes, deutsches Vaterland! An das ganze deutsche Volk, an alle Parteien richte ich erneut den dringenden Appell, dahin zu wirken, daß unser Land vor weiteren Erschütterungen bewahrt bleibt. Die Reichsregierung wird das tun, was ihre Pflicht ist.

(Stürmischer andauernder Beifall im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten, bei der Bayerischen Volkspartei, bei den Sozialdemokraten, bei den Unabhängigen Sozialdemokraten und den Kommunisten. – Beifall auf den Tribünen.)

Übrigens, das berühmte Zitat:

„Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!“

stammt nicht aus dieser Rede sondern aus einer zweiten, die Wirth am 25. Juni 1922 gleichfalls vor dem Reichstag hielt.

Bild: Von Unbekannt – Bild-Archiv Kultur u. Geschichte, München, PD-Schöpfungshöhe, Link

10 Fakten über Walther Rathenau

  1. Walther Rathenau wurde am 29. September 1867 in Berlin geboren. Sein Vater war Emil Rathenau, der spätere Gründer von AEG.
  2. Er studierte er in Straßburg und Berlin Physik, Philosophie und Chemie und promovierte über „Die Absorption des Lichts in Metallen“. 1889/90 studierte er anschließend noch Maschinenbau an der Technischen Hochschule München.
  3. Rathenau war jüdischen Glaubens. Er selbst schrieb später dazu: „In den Jugendjahren eines jeden deutschen Juden gibt es einen schmerzlichen Augenblick, an den er sich zeitlebens erinnert: wenn ihm zum ersten Male voll bewußt wird, daß er als Bürger zweiter Klasse in die Welt getreten ist und keine Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn aus dieser Lage befreien kann.“
  4. Zunächst schlug Rathenau eine Karriere als Offizier und Künstler ein, fügte sich dann aber dem Willen des Vaters und machte Karriere in den väterlichen Unternehmen. Er war überaus erfolgreich und hatte z.B. nach 1904 bereits über 80 Aufsichtsratsmandate inne.
  5. Er war auch schon früh bis hin zu seinem Tode schriftstellerisch tätig und schrieb Aufsätze, aber auch Bücher, die im S. Fischer Verlag erschienen. In seinen beiden Werken „Zur Kritik der Zeit“ und „Zur Mechanik des Geistes“ beklagte er z.B. die zusehende Automatisierung und propagierte ein „Reich der Seele“. 1917 forderte er in seinem Buch „Von kommenden Dingen“ wirtschaftliche Rationalisierung und Verfassungsreformen sowie eine Bewusstseinsveränderung. Daneben schrieb er auch in deutschnationalen Zeitungen.
  6. Insbesondere während des ersten Weltkriegs wurde Rathenau auch politisch aktiv und vertrat sehr komplexe Positionen, die es schwer machten, ihn in ein politisches Raster einzuordnen. Nach dem Krieg wurde er Mitglied der DDP (Deutsche Demokratische Partei). Aufgrund seiner Stellung als Unternehmer war er auch schon früh in politische Verhandlungen eingebunden.
  7. Langfristig trat er für eine Wiedererrichtung des Frankenreichs ein, das als eine Art enge europäische Zollunion realisiert werden sollte, in dem Deutschland allerdings eine führende Rolle einnehmen solle.
  8. Am 31. Januar 1922 wurde Rathenau zum Außenminister im Kabinett Wirth II ernannt.
  9. Zu seinen Hauptaufgaben gehörten Verhandlungen in internationalen Wirtschafts- und Reparationsverhandlungen,  so bei der Weltwirtschaftskonferenz von Genua. Es gelang ihm z.B. am 16. April 1922 mit Sowjetrussland in Rapallo einen bilateralen Sondervertrag abzuschließen, der Deutschland außenpolitisch mehr Handlungsfreiheit verschaffte, was auch von nationaler Seite überwiegend begrüßt wurde. Dennoch war das damalige politische Klima sehr aufgeheizt und er zog vom rechten Rand viel Hass auf sich, wie auch dieses Lied zeigt.
  10. Am Morgen des 24. Juni 1922 wurde Rathenau auf dem Weg ins Auswärtige Amt in seinem offenen NAG-Kabrioletts ermordet. Täter waren der 20-jährige Maschinenbaustudent Ernst Werner Techow, der 23-jährige Student der Rechtswissenschaften Erwin Kern und der 26-jährige Maschinenbauingenieur Hermann Fischer. Kern feuerte mit einer Maschinenpistole auf Rathenau, Fischer warf eine Handgranate in den Wagen. Rathenau wurde von fünf Schüssen getroffen und starb innert Minuten. Den Attentäter gelang die Flucht. Sie waren allesamt Mitglieder der rechtsradikalen Organisation Consul.

10 Fakten zum 24. Juni

  1. Johannes hat heute Namenstag. Dementsprechend ist heute Johannistag, ein Hochfest der katholischen Kirche, um das sich viele Bräuche entwickelt haben. So z.B. die vielerorts angezündeten Johannisfeuer und Feste. Auch viele bäuerliche Termine richten sich nach diesem Tag, z.B. endet heute die Spargelsaison.
  2. 1535 nehmen Truppen des Bischofs von Waldeck nach gut 1 1/2-jähriger Belagerung Münster ein und beenden das dort errichtete Täuferreich, das „neue Jerusalem“. Drei der Anführer – Jan van Leiden, Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling – wurden später auf dem Prinzipalmarkt mit glühenden Zangen gerissen und erdolcht und ihre Leichen in eisernen Körben an den Turm der Lambertikirche gehängt, wo sie noch heute sind – oben gut im Bild erkennbar. Die Geschehnisse rund um das Täuferreich zählen zum interessantesten, was die deutsche Geschichte zu bieten hat. Im Roman Kristus von Robert Schneider wird das Thema literarisch aufbereitet.
  3. In der Schlacht von Solferino besiegt Napoleon III. im Jahr 1859 Österreich. Unter dem Eindruck des Leidens der Soldaten gründet Henri Dunant das „Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege“, das später zum Roten Kreuz wird.
  4. 1922 wird der Reichsaußenminister Walther Rathenau von rechtsgerichteten Attentätern, der Organisation Consul, ermordet.
  5. Der US-amerikanische Pilot Kenneth Arnold beobachtet 1947 neun seltsame rasende Flugobjekte, für die dann erstmals der Begriff „Fliegende Untertasse“ benutzt wird.
  6. Die Blockade Berlins startet im Jahr 1948. Die Stadt kann nur noch über die „Luftbrücke“ versorgt werden.
  7. Herzlichen Glückwunsch „Bild“: 1952 erscheint die erste Ausgabe der Zeitung mit einer Auflage von 250.000 Exemplaren.
  8. Christo und Jeanne-Claude stellen 1995 in Berlin ihr Kunstprojekt „Verhüllter Reichstag“ fertig.
  9. Albrecht Ludwig Berblinger – der Schneider von Ulm – wird 1770 geboren.
  10. Victor Franz Hess kommt 1883 auf die Welt.

Schwerpunkt: Walther Rathenau

Hier finden Sie alle unsere Beiträge rund um Walther Rathenau.

Was ist um 10:45h passiert?

Die Räumung der Verwaltungsgebäude in Washington am 11. September 2001 ist in dieser Minute abgeschlossen.

Attentat

In dieser Minute steigt Walther Rathenau am 24. Juni 1922 in den Fond seines offenen NAG-Cabriolets gestiegen