Meinung: Was mich an der Politik 2019 stört – und was sich ändern sollte

Politik für die einfachen Leute – und die Zersplitterung des deutschen Parteiensystems

Ich darf Sie vorwarnen. Wenn Sie hier eine tiefschürfende Analyse erwarten, hören Sie auf zu lesen. Hier schreibe ich nur spontan, was mich an der Politik in Deutschland Stand 2019 am meisten stört.

Auslöser für diesen Beitrag ist eine von der F.A.Z. dokumentierte Rede Erwin Teufels, die zwar von 2011 ist, in der ich aber eine Aussage in Hinblick auf die CDU interessant und nach wie vor zutreffend finde:

Dahin müssen wir auf Bundesebene und Landesebene wieder kommen: dass wir in den Augen der Bürger wieder die Partei der einfachen Leute, die große Volkspartei der Mitte, sind. Die einfachen Leute sind immer in der Mehrheit.

Und je länger ich über diese Aussage nachdenke, um so mehr zeigt sie das Grundproblem der heutigen Politik: Es gibt keine Partei mehr, die diese einfachen Leute im Blick hat.

In meiner Jugend – in den frühen 1980ern – war es einfach. Die CDU kümmert sich um die bürgerlichen einfachen und nicht so einfachen Angestellten, die SPD um die einfachen Arbeiter, die FDP um die Angehörigen der freien Berufe, die Grünen um die Umweltbewussten. Und neben diesen vier großen Parteien gab es – bezogen auf die Bundestagswahl 1983 – 0,4%, die sich auf acht sonstige Parteien verteilten. Bei der Bundestagswahl 2017 hingegen sind das linke und rechte Lager durch „Die Linke“ und die „AfD“ zersplittert und mehr als 30 sonstige Parteien holen 5% der Stimmen.

Nach den meisten aktuellen Umfragen im Frühjahr 2019 würde es zu einer großen Koalition aus CDU und SPD nicht einmal mehr reichen. Die große Bindungskraft der beiden ehemaligen großen Volksparteien ist weg.

Erwin Teufel dürfte damit richtig liegen, dass die CDU – insbesondere aber auch die CDU – die einfachen Leute aus dem Auge verloren hat.

Doch gibt es die einfachen Leute angesichts eines immer stärker ausgeprägten Individualismus noch?

Ich glaube ja. Die „einfachen Leute“ wollen ihren sicheren Job, ein oder zwei mal im Jahr in den Urlaub, eine funktionierende Infrastruktur, soziale Absicherung, Sicherheit nach Innen und Außen und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Und während die einen in ihrer Freizeit zum Schützenverein gehen oder im Kirchenchor singen, praktizieren die anderen lieber Yoga oder suchen den Kick beim Bungee-Jumping. Ansonsten wollen sie ihr Leben ohne übermäßige Bevormundung leben.

Die Veroberlehrerung, Vertwitterung und Berlinisierung der Politik

Schauen wir auf die Parteienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland, so war diese die ersten 30 Jahre verblüffend stabil. In den frühen 1980ern stießen die Grünen in eine Lücke, die von den Volksparteien so nicht abgedeckt wurde. Zu einer Zersplitterung der beiden großen Lager kam es dann erst durch „Die Linke“ und die „AfD“. Während „Die Linke“ für die SPD aufgrund der Wiedervereinigung in gewisser Weise eine „Naturgewalt“ und nur zum Teil – Streit zwischen Schröder und Lafontaine – selbst verschuldet war, ist die AfD ein von der CDU selbst verursachtes Problem.

Das Thema der AfD war anfangs die Europolitik der Regierung, die von dieser als alternativlos dargestellt wurde. Bedenkenträger wurden als Spinner abgetan, es wurde gleichsam diktiert, was richtig und was falsch sei. Die Politik als Oberlehrer der Bevölkerung ist eine Entwicklung, die sich seitdem fortgesetzt und auf viele andere Bereiche ausgeweitet hat, Stichwort Klima oder Migration. Wer in diesen Bereichen von der „offiziellen“ Linie abweicht, wird schnell in eine extreme Ecke gerückt und ist in Diskussionen schnell ein Paria. Dadurch hat sich die politische Diskussionskultur aus der breiten Mitte verabschiedet und rückt in die radikalen Ränder. Mitursächlich für diese bedenkliche Entwickelung ist im übrigen das, was ich die Methode Merkel nenne, die nicht nur auf die Politik abfärbt sondern ebenfalls schon auf viele Medien, die am liebsten vorschreiben wollen, welche Positionen richtig und welche falsch sind.

Getrieben wird diese Entwicklung auch durch twitter. Das soziale Netzwerk ist besonders bei Politikern, Aktivisten und Journalisten besonders beliebt und ist sicherlich auch ein Seismograph dafür, welche Themen in diesen Kreisen gerade wichtig sind. Doch der Einfluss von twitter ist zu groß, viele Politiker richten ihre Positionierung nach dem dortigen Stimmungsbild aus, übersehen aber, dass die meisten „einfachen Leute“ twitter nicht einmal kennen, geschweige denn nutzen. twitter ist progressiver, radikaler – sowohl links wie rechts – und differenzierte moderate Positionen haben dort kaum eine Chance. twitter jedenfalls ist alles andere als ein Abbild der bundesrepublikanischen Gesellschaft.

Ebenso, wie auch Berlin nicht Deutschland abbildet. Ich hielt es für einen Fehler, die Hauptstadt von Bonn nach Berlin zu verlegen, da Berlin das Denken zu sehr prägt. Vielmehr halte ich sogar das Modell einer Hauptstadt für nicht mehr zeitgemäß und plädierte schon 2011 unter der Überschrift „Schafft die Hauptstadt ab„, die bundesstaatlichen Institutionen – noch stärker als es ohnehin schon der Fall ist – über ganz Deutschland zu verteilen. Ich bin davon überzeugt, dass die Entscheidung für Berlin als Regierungssitz und die damit einhergehend zunehmende, der föderalen Struktur und Tradition Deutschlands widersprechende, Zentralisierung dazu führen, dass die „einfachen Leute“ mehr und mehr aus dem Blick der Politik geraten.

Was sollte sich ändern?

Ob die einfachen Leute immer richtig liegen, weiß ich nicht. Aber Erwin Teufel hat auch Recht mit seiner Einschätzung, dass die einfachen Leute die Mehrheit in Deutschland stellen.

Eine Mehrheit, die derzeit von der Politik nicht repräsentiert wird, vielmehr sogar ignoriert, nicht ernstgenommen und teilweise sogar verachtet wird.

Dabei ist eigentlich alles ganz einfach:

  • Hört Euch gegenseitig.
  • Redet miteinander.
  • Diskutiert ergebnisoffen.
  • Akzeptiert andere Meinungen.

Und besonders: Nehmt die einfachen Leute wieder ernst.

Meinung: Kevin Kühnert, Vergesellschaftung und eine doppelte Kritik

Kevins Vorstoß

In einem Interview mit „Die Zeit“ hat Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert eine Grundsatzdiskussion über unser Wirtschaftssystem angestoßen und seine Aussagen im Spiegel nochmals bekräftigt und konkretisiert.

Reflexhaft wird ihm von vielen liberalen und konservativen Antikapitalismus, Sozialismus und Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen. Die Hauptkritik entzündet sich daran, dass er z.B. eine Vergesellschaftung von Konzernen wie BMW ins Spiel gebracht hat – übrigens eine Möglichkeit, die das Grundgesetz in Art. 15 durchaus zuließe, wenngleich nur unter engen Grenzen.

Diskutiert!

Ich bin Kevin Kühnert dankbar, dass er eine grundsätzliche Diskussion angestoßen hat und möchte an dieser Stelle alle kritisieren, die seinen Vorstoß direkt abtun. Wenn man wie ich auch anderer Ansicht ist, so gibt es genug Argumente, die man ihn gegen vorbringen kann. Zum Beispiel, dass BMW eine Aktiengesellschaft ist, die überwiegend in Streubesitz ist und es somit auch jedem Arbeiter offen steht, sich an dem Unternehmen zu beteiligen und im Rahmen der Hauptversammlung mitzubestimmen. So könnte man anknüpfend an Kühnerts Vorstoß durchaus auch diskutieren, wie man den Kauf von Aktien attraktiver machen kann oder ob man Kleinaktionären mehr Rechte auf Hauptversammlungen geben mag.

Ihn aber einfach so abzutun ist sicher nicht sinnvoll.

Die Geister der Vergangenheit

Auf der anderen Seite werfe ich Kevin Kühnert aber auch vor, eine Diskussion der Vergangenheit zu führen. Der Sozialismus ist eine schöne Utopie, die nun seit langem in vielen Staaten gezeigt hat, dass sie in der Praxis nicht funktioniert – und derzeit und in absehbarer Zeit angesichts der Gegebenheiten nicht funktionieren kann.

Gleichwohl stehen unser Wirtschaftssystem und damit auch unsere gesamte Gesellschaft vor beispiellosen Herausforderungen. Mit den Utopien von gestern gibt man keine Antworten auf die Fragen der Zukunft.

Die disruptive technische Entwicklung – insbesondere Künstliche Intelligenz – wird unsere Welt schneller verändern als die meisten von uns sich das vorstellen können. Wie sieht die Arbeit von morgen aus? Brauchen wir das bedingungslose Grundeinkommen? Muss es immer Wachstum sein oder ist Downsizing angebracht? Von den globalen Problemen – allen voran Klimawandel und die damit verbundenen Migrationsströme – möchte ich an dieser Stelle gar nicht sprechen.

Seid mutig und blickt nach vorne

Die Menschheit sieht sich mit riesigen Herausforderungen konfrontiert. Gleichzeitig hatte sie aber noch nie so viele Möglichkeiten, diese zu meistern.

Lasst uns also gemeinsam nach vorne blicken und diese Chancen nutzen.

Und das geht nur, wenn man sich gegenseitig zuhört und miteinander redet.

Wahlplakate Europawahl 2019: Die Jusos Bonn und Axel Voss

Die JUSOS in Bonn ergänzen die Wahlplakate von Axel Voss zur Europawahl 2019 und weisen darauf hin, dass er im Europaparlament die treibende Kraft hinter Art. 13 (Art. 17) und damit kommenden Uploadfiltern im Internet war.

Köpfe: Marie Juchacz

Marie Juchacz, geborene Marie Gohlke am 15. März 1879 in Landsberg an der Warthe (heute Gorzów Wielkopolski, Polen), war eine herausragende deutsche Sozialreformerin, Frauenrechtlerin und Politikerin.

Marie wuchs in einer Arbeiterfamilie auf und begann bereits in jungen Jahren, sich politisch und sozial zu engagieren. Sie schloss sich der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) an und setzte sich intensiv für die Rechte von Frauen und Arbeitern ein. Im Jahr 1908 zog sie nach Berlin, wo sie ihre Aktivitäten fortsetzte und als Redakteurin für die sozialdemokratische Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“ arbeitete.

Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Marie Juchacz 1919 die Arbeiterwohlfahrt als Selbsthilfeorganisation der SPD, um notleidenden Menschen zu helfen. Unter ihrer Leitung entwickelte sich die AWO zu einer der größten Wohlfahrtsorganisationen Deutschlands. Ihre Arbeit für die AWO und ihr soziales Engagement machten sie zu einer zentralen Figur in der Weimarer Republik.

Als Mitglied der SPD wurde Marie Juchacz 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und ging als erste Frau in die Geschichte ein, die in einem deutschen Parlament sprach:

Meine Herren und Damen!“ (Heiterkeit.) „Es ist das erste Mal, dass eine Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, ganz objektiv, dass es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat.

(Marie Juchacz: am 19. Februar 1919 in ihrer Rede vor der Nationalversammlung in Weimar)

Ihre Rede ist auch berühmt für die Worte:

Was diese Regierung getan hat, war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen, die die Hälfte des Volkes ausmachen, das gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten wurde.

Marie Juchacz setzte ihre politische Karriere fort und wurde 1920 in den Reichstag gewählt, dem sie bis 1933 angehörte. Während der Zeit des Nationalsozialismus musste sie Deutschland verlassen und emigrierte in die Vereinigten Staaten, wo sie bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1949 lebte. Nach ihrer Rückkehr widmete sie sich erneut der Arbeit für die AWO und setzte sich bis zu ihrem Tod am 28. Januar 1956 in Bonn für soziale Gerechtigkeit und die Rechte von Frauen ein.

Sie ist auf dem Kölner Südfriedhof beerdigt.

Dokumentiert: Zeitungen, auf die die SPD heimlich und indirekt Einfluß nimmt

Dieser Artikel wurde auf Tichys Einblick gelöscht, ist aber z.B. noch in der WayBack Machine aufzufinden.  Zu den Hintergründen der Löschung lesen Sie hier. Ich hatte den Beitrag hier dokumentiert, wurde aber gleichfalls zur Lösung aufgefordert.

 

Liste: Die Bundesminister der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland – und wie sich das Amt auf deren Karrieren ausgewirkt hat

Theodor Blank, CDU

7. Juni 1955 bis 16. Oktober 1956 – 497 Tage im Amt, Rücktritt, Karriere geht aber weiter

Erster „Bundesminister für Verteidigung“. Tritt – wahrscheinlich wegen Intrigen von Franz Josef Strauß – zurück, wird ein Jahr später aber Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Franz Josef Strauß, CSU

16. Oktober 1956 bis 9. Januar 1963, 2.275 Tage im Amt, Rücktritt, Karriere geht aber weiter

Während seiner Amtszeit wird das Amt von „Bundesminister für Verteidigung“ in „Bundesminister der Verteidigung“ geändert. In seine Amtszeit fallen auch die Starfighter- und die Spiegel-Affäre, wegen der er unter Druck dann zurücktritt. Drei Jahr später wird er aber Bundesminister für Finanzen.

Kai-Uwe von Hassel, CDU

9. Januar 1963 bis 1. Dezember 1966, 1.422 Tage im Amt, nahtloser Amtswechsel

Ende 1963 bittet er die US-Regierung unter Verstoß gegen die Verzichtserklärung der Bundesregierung um die Belieferung mit chemischer Munition. Für Kritik sorgt auch, dass er bei der Beerdigung des ehemaligen hohen SS-Führers und Himmler-Vertreters Hans Jüttner im Mai 1965 in seiner Ministerfunktion spricht. Wird aber nach dem Regierungswechsel nahtlos Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.

Gerhard Schröder, CDU

1. Dezember 1966 bis 21. Oktober 1969, 1.055 Tage im Amt, Karriere geht aber weiter

Das ehemalige NSDAP Mitglied Schröder ist tatsächlich ein recht erfolgreicher Verteidigungsminister, kommt aber mit Kiesinger nicht sonderlich gut zurecht. Seine Amtszeit endet mit dem Ende der Regierung Kiesinger. Seine politische Karriere geht zwar nicht mehr hoch hinaus – er ist u.a. erfolgloser Bundespräsidentschaftskandidat – ist aber nicht beendet.

Helmut Schmidt, SPD

22. Oktober 1969 bis 7. Juli 1972, 989 Tage im Amt, nahtloser Amtswechsel

Helmut Schmidt wird 1972 nach dem Rücktritt von Karl Schiller „Superminister“ für Wirtschaft und Finanzen und später Bundeskanzler.

Georg Leber, SPD

7. Juli 1972 bis 16. Februar 1978, 2,050 Tage im Amt, Rücktritt, politische Karriere beendet

Georg „Schorsch“ Leber ist ein sehr erfolgreicher und beliebter Verteidigungsminister, tritt aber wegen einer Abhöraffäre zurück. Danach keine Ämter mehr in einer Bundesregierung.

Hans Apel, SPD

17. Februar 1978 bis 1. Oktober 1982, 1.687 Tage im Amt, Amtsende wegen Regierungswechsel

Hans Apel ist der erste „Ungediente“ im Amt. Reguläres Ende seiner Amtszeit mit Kohls „Wende“, danach keine hohen politischen Ämter mehr.

Manfred Wörner, CDU

4. Oktober 1982 bis 18. Mai 1988, 2.053 Tage im Amt, wird NATO Generalsekretär

Wegen der Kießling Affäre bietet er seinen Rücktritt an, den Kohl aber ablehnt. Wird nahtlos NATO Generalsekretär und stirbt in diesem Amt.

Rupert Scholz, CDU

18. Mai 1988 bis 21. April 1989, 338 Tage im Amt, Abberufung, politische Karriere beendet

Etwas unglückliche Amtszeit – u.a. Ramstein-Unglück, Tiefflug-Debatte – und daher auch keine weitere Berücksichtigung bei einer Kabinettsumbildung.

Gerhard Stoltenberg, CDU

21. April 1989 bis 31. März 1992, 1.075 Tage im Amt, Rücktritt, politische Karriere beendet

Rücktritt wegen umstrittener Waffenlieferungen in die Türkei.

Volker Rühe, CDU

1. April 1992 bis 26. Oktober 1998, 1.075 Tage im Amt, Amtsende wegen Regierungswechsel

Ereignisreiche Amtszeit, endet wegen der Abwahl der letzten Regierung Kohl.

Rudolf Scharping, SPD

27. Oktober 1998 bis 19. Juli 2002, 1.361 Tage im Amt, Entlassung, politische Karriere beendet

In seine Amtszeit fällt der erste Kriegseinsatz der Bundeswehr. Wegen der Mallorca-Affäre, die Hunzinger-Affäre und des Verlust seines Ansehens und Respekts in der Bundeswehr („Bin Baden“) Entlassung durch Bundeskanzler Schröder. Das ist auch das Ende seiner politischen Karriere.

Peter Struck, SPD

19. Juli 2002 bis 22. November 2005, 1.222 Tage im Amt, Amtsende wegen Regierungswechsel

Die Amtszeit endete regulär.

Franz Josef Jung, CDU

22. November 2005 bis 28. Oktober 2009, 1.436 Tage im Amt, Amtswechsel aber dann Rücktritt und politische Karriere weitgehend beendet

Nach dem regulären Ende des Kabinetts Merkel I wird er im Kabinett Merkel II am 22. November 2005 Bundesminister für Arbeit und Soziales, wo ihn aber die Kunduz-Affäre einholt. Er tritt als Bundesminister zum 30. November zurück. Damit ist er der Bundesminister mit der kürzesten Amtszeit. Höhere politische Ämter hat er danach nicht mehr inne.

Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU

28. Oktober 2009 bis 3. März 2011, 491 Tage im Amt, Rücktritt, politische Karriere (vorerst) beendet

KTG muss wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit zurücktreten. Seine politische Karriere ist vorerst beendet, ein Comeback aber nicht ausgeschlossen.

Thomas de Maizière, CDU

3. März 2011 bis 17. Dezember 2013, 1.020 Tage im Amt, nahtloser Wechsel ins Bundesinnenministerium

In seine Amtszeit fällt die Aussetzung der Wehrpflicht. Bei der Bildung des Kabinetts Merkel III wechselt er wieder ins Bundesinnenministerium.

Ursula von der Leyen, CDU

17. Dezember 2013, noch amtierend

 

Ein paar schnelle Gedanken zur anstehenden CDU-Vorsitz Wahl

Nein, eine umfassende politische Analyse gibt es hier nicht. Nur ein paar schnelle Gedanken zur Wahl der oder des neuen Vorsitzenden der CDU – im folgenden verwende ich als alter weißer Mann mit grauen Haaren nur noch die männliche Variante.

  • Wie sehr Merkel die CDU eigentlich zerrissen hat, werden wir erst in den Monaten nach dem Parteitag sehen. Ich hoffe, dass es die Partei in einem Stück überlebt.
  • Der erste Partner nach einer beendeten Beziehung hat es immer besonders schwer. Das gleiche gilt auch besonders für den ersten CDU Vorsitzenden nach Merkel.
  • Merkels größte Fehler in Bezug auf die CDU:
    • Atomausstieg
    • September 2015 nicht er- und geklärt zu haben
    • Parteitagsbeschluss zu Doppelpass zu ignorieren
    • grundsätzlich: kein politisches Koordinatensystem zu haben, sondern nur getrieben sein
  • Jens Spahn ist chancenlos. Er sollte seine Kandidatur zurückziehen.
  • Sollte Annegret Kramp-Karrenbauer Vorsitzende der CDU werden, würde dies die begonnene Veränderung des deutschen Parteiensystems dauerhaft zementieren. Mehr noch, eine bundesweite CSU wäre dann gar nicht mehr so unrealistisch.
  • Sollte Friedrich Merz Vorsitzender der CDU werden, könnte dies die AfD schwächen und die SPD wieder stärken. Ganz so wie früher wird es aber nicht mehr.

Bild: twitter

Artikelserie Migrationspakt: Wie verbindlich ist er eigentlich?

In der Artikelreihe Migrationspakt betrachte ich einzelne Aspekte dieses viel diskutierten Abkommens. Hier geht es um den rechtlichen Charakter und seine Verbindlichkeit.

Der Streit um die rechtliche Verbindlichkeit

Um die rechtliche Verbindlichkeit des Migrationspakt wird besonders diskutiert. Das rechte Spektrum, allen voran die AfD, hält ihn für einen unmittelbaren Eingriff in nationales Recht – nach dem Abschluss des Pakts sei Deutschland gleichsam von der UNO kontrolliertes Einwanderungsland. SPD, FDP und die offizielle Linie der CDU/CSU sieht ihn als rechtlich unverbindlich an und wenn binde er ja nur andere Staaten. Die Grünen meinen schließlich, nach Verabschiedung müsse man mit der Umsetzung der Ziele des Pakts beginnen.

Wie steht es also um die rechtliche Verbindlichkeit des Pakts?

Was für eine Art Dokument ist der Migrationspakt eigentlich?

Am 10. und 11. Dezember 2018 findet die „Zwischenstaatliche Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ in Marrakesch (Marokko) statt. Der „Migrationspakt“ ist das Abschlussdokument dieser Konferenz. Solche Dokumente werden üblicherweise lange im Vorfeld solcher Konferenzen ausverhandelt.

Was steht genau im Migrationspakt?

Der UN Migrationspakt – eigentlich „Ergebnisdokument der zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ – lässt sich in drei Teile gliedern:

  • Die Präambel, in der festgehalten wird, dass zur Bewältigung der Herausforderungen der Migration eine umfassende Zusammenarbeit der Staaten erforderlich ist, die auf den Grundsätzen der UN beruhen soll und dass dieser Pakt einen Kooperationsrahmen dafür schaffen soll.
  • Der Hauptteil, der 23 teilweise sehr konkrete Ziele formuliert, z.B. in den Bereichen Grenzmanagement oder Sozialversorgung von Migranten.
  • Einen Schlussteil, in dem es um konkrete Umsetzung, Weiterverfolgung und Ergebniskontrolle geht.

Ausführlicher zusammengefasst habe ich den Pakt hier.

Welchen rechtlichen Charakter hat der Migrationspakt?

Der Migrationspakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag iSv Art. 59 Abs. 2 GG, weswegen der Bundestag ihm auch nicht zustimmen muss.

In dem Dokument wird die Souveränität der Staaten mehrfach ausdrücklich betont und er stellt laut Präambel „einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar“, der aber andererseits wieder „auf den Verpflichtungen aufbaut, auf die sich die Mitgliedstaaten in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten geeinigt haben“. Ohnehin ist in dem Pakt mehrfach von „Verpflichtungen“ und „wir verpflichten“ die Rede – das ist auch der Grund dafür, warum in einigen Kreisen davon die Rede ist, der Pakt würde Deutschlands Souveränität aufheben.

Unverbindlich? Verpflichtend? Was denn nun? Auf twitter schrieben einige schon von „Schrödingers Migrationspakt“, der verpflichtend und unverbindlich gleichzeitig ist. Fragt man Juristen, erhält man ein breites Meinungsspektrum von völlig unverbindlich bis verpflichtend. Zur weiteren Verwirrung tragen dann Aussagen aus der Politik wie die bei, der Migrationspakt sei nicht verpflichtend, würde aber Migration wirksam begrenzen. Wie soll er das, wenn nicht verpflichtend ist?

Ich habe mit einigen Praktikern gesprochen. Diese betonten den grundsätzlich unverbindlichen Charakter des Pakts, hoben aber hervor, dass er gerade bei der Verhandlung von bilateralen Abkommen einen gewissen Rahmen für Standards z.B. bei der Unterbringung von Migranten geben könne. Oft wurde er auch als „Soft Law“, also weiches Recht, bezeichnet.

So könne er von internationalen Gerichten bei der Auslegung nationalen Rechts hinzugezogen werden, ggf. sogar von nationalen Gerichten. In einem Urteil liest sich das dann ggf. so:

„Die Norm könnte zwar so ausgelegt werden, dass wie vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt, ein Anspruch des Beschwerdeführers nicht besteht. Angesichts dessen, dass Deutschland sich jedoch mit dem ‚Ergebnisdokument der zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration‘ dazu zumindest politisch verpflichtet hat, dass Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können, ist die Norm weit auszulegen, so dass ein Anspruch hier – anders als BVerwG angenommen – zu bejahen ist.“

Und auch auf Gesetzgebungsvorhaben oder die Auslegung von bestehenden internationalen Abkommen kann der Pakt Ausstrahlungswirkung und damit letztlich rechtliche Relevanz entfalten. Nicht zuletzt kann er Grundlage für zukünftige konkretere internationale Abkommen sein – was gerade die Abschnitte hinsichtlich der Umsetzung und weiteren Ziele belegen.

Auf jeden Fall verpflichtet der Pakt zumindest politisch, wie die Bundesregierung im „Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2016 und 2017“ (Stand August 2018, Seite 71/72; Download hier) feststellt:

Ergebnis: Soft Law und politisch verpflichtend

Im Ergebnis liegt bei der Beurteilung m.E. keine der Parteien richtig: Weder herrscht – wie z.B. von der AfD und Teilen der CDU/CSU behauptet – nach Verabschiedung des Dokuments eine ganz neue Rechtslage in Deutschland, was Migration angeht, noch hat der Pakt wie FDP, die Führung von CDU/CSU, und Teile der SPD meinen, eigentlich gar keine Auswirkungen auf nationales Recht. Anders als von den Grünen aufgefasst verpflichtet er auch nicht zur sofortigen Umsetzung von dort beschriebenen Maßnahmen, kann aber andererseits einen weiteren Spielraum eröffnen, soweit dies politisch gewollt ist.

Unmittelbar als nationales Recht oder anstelle nationalen Rechts wirkt der Pakt also nicht. Dass der Migrationspakt – allein schon wegen seiner politischen Verbindlichkeit – aber Auswirkungen auf nationales und internationales Recht haben wird, kann aber niemand ernsthaft bestreiten.

Meinung: Im Süden nichts neues

Die Landtagswahl 2018 in Bayern ist vorbei und allgemein wird vom Bayern-Beben geschlagzeilt und je nach Sichtweise der Untergang Bayerns betrauert oder der Anbeginn einer neuen grünen Zeitrechnung bejubelt. Alles Quatsch.

Denn im Grunde hat sich im Freistaat nicht wirklich viel geändert.

Klar, die CSU hat stark verloren, aber am Ende nicht ganz so massiv, wie von vielen erwartet. Letztlich wurde in Bayern jetzt nur nachgeholt, was der CDU im Bund bei der Bundestagswahl 2017 passiert ist. Man darf sich nichts vormachen – Bayern bleibt konservativ bis rechts.

CSU, Freie Wähler und AfD haben diesmal 59% der Stimmen auf sich vereint, 2013 waren es noch 56,7%. Zählt man noch die FDP zu diesem Block, sind es sogar 64,1% vs. 60%.

Die Grünen haben zwar deutlich gewonnen – 8,9 Prozentpunkte – aber das ist immer noch weniger als die SPD verloren hat. Und selbst wenn man die Gewinne der „Linke“ dazu rechnet, werden die SPD Verluste nicht ausgeglichen.

Der nächste Ministerpräsident in Bayer wird jedenfalls von der CSU gestellt werden und einer konservativen Regierung vorstehen.

Im Süden also nichts neues.

Liste: Wie die Bundeskanzler aus dem Amt geschieden sind

Konrad Adenauer, CDU (1949 bis 1963) – Rücktritt

Bei der Bundestagswahl 1961 verlor die CDU ihre absolute Mehrheit und die allgemeine Stimmung war gegen Adenauer, er schaffte es aber, eine Unions/FDP Koalition auf die Beine zu stellen – unter dem Versprechen, während der Legislaturperiode zurückzutreten, was er dann im Herbst 1963 auch nach langem Zögern tat. Er kämpfte dafür, so lange wie möglich im Amt zu bleiben und Ludwig Erhards als Nachfolger zu verhindern, was sein Bild in der Öffentlichkeit deutlich überschattete.

Den richtigen Zeitpunkt zum Rücktritt hatte er verpasst.

Ludwig Erhard, CDU (1963 bis 1966) – Rücktritt

Erhard kam nie richtig in seinem Amt an, auch wenn er in der Bevölkerung recht beliebt war und bei der Bundestagswahl 1965 mit 47,6% ein gutes Ergebnis für die Union holte. Nachdem 1966 die FDP Minister aus der Regierung austraten, führte er eine CDU/CSU Minderheitsregierung und trat am 1. Dezember 1966 als Kanzler zurück.

Kurt Georg Kiesinger, CDU (1966 bis 1969) – Wahlniederlage

Erhards Nachfolger Kiesinger bildete de erste große Koalition. Bei der Wahl 1969 wurde die Union zwar mit 46,1% stärkste Kraft, die SPD bildete aber mit der FDP eine Koalition.

Willy Brandt, SPD (1969 bis 1974) – Rücktritt

Willy Brandt bildete die erste sozialliberale Koalition im Bund und führte die SPD erfolgreich durch die Bundestagswahl 1972: sie wurde erstmals mit 45,8% stärkste Partei.

Aufgrund der Guillaume Affäre – einer seiner engsten Mitarbeiter, der Spion der DDR war – trat Brandt 1974 zurück. Dieser Rücktritt war unausweichlich, da Brandt auch aus anderen Gründen – Frauengeschichten, Alkohol, angebliche Depressionen und daraus befürchtete Erpressbarkeit – in der SPD und auch bei den Sicherheitsbehörden nicht unumstritten war.

Helmut Schmidt, SPD (1974 bis 1982) – Misstrauensvotum

Schmidt gelang es bei den Bundestagswahlen 1976 und 1980, die Mehrheit für die sozialliberale Koalition zu verteidigen. Anfang der 1980er Jahre war seine Unterstützung des NATO Doppelbeschlusses in der SPD zusehends umstritten, mit der FDP gab es große Differenzen in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Die FDP kündigte die Koalition auf und am 1. Oktober 1982 wählte der Bundestag Helmut Kohl zum Bundeskanzler.

Helmut Kohl, CDU (1982 bis 1998) – Wahlniederlage

Nach dem konstruktiven Misstrauensvotum wurde 1983 ein neuer Bundestag gewählt. Kohl erreichte für die Union mit 48,8% das bis heute zweitbeste Ergebnis für die Union, die Koalition mit der FDP konnte fortgesetzt werden. Ende der 1980er Jahre war bereits eine gewisse Kohl-Müdigkeit festzustellen, die Wiedervereinigung rettete ihn jedoch. Vor der Bundestagswahl 1998 war Kohl bereits als Kanzlerkandidat innerhalb der Union umstritten, setzte sich aber nochmals durch. Die CDU/CSU/FDP Koalition wurde dann deutlich abgewählt.

Kohl hatte den richtigen Zeitpunkt verpasst, nicht mehr anzutreten.

Gerhard Schröder, SPD (1998 bis 2005) – Wahlniederlage

Die Rot-Grüne Koalition Gerhard Schröders wurde 2002 knapp wiedergewählt. Aufgrund des umstrittenen Reformkurses und einer deutlichen Wahlniederlage in NRW sorgte Schröder 2005 für Neuwahlen, um seinen Kurs bestätigen zu lassen. Dies gelang nicht, insbesondere aufgrund des starken Abschneidens der Linken konnte die bisherige Koalition nicht fortgesetzt werden. Stärkste Fraktion wurde die Union, Angela Merkel wurde Kanzlerin einer Großen Koalition. Unvergessen ist Schröders Auftritt in der Elefantenrunde, mit der er aber wohl die Verhandlungsposition der SPD stärkte.

Schröder hatte mit der Neuwahl zu hoch gepokert.

Bild: (c) Bundestag