Warum die Euro Rettung faktisch alternativlos ist

Ich halte die hier geäußerte Meinung nicht mehr aufrecht – auch wenn die Target 2 Salden der Grund dafür sein sollten, dass Schäuble und Merkel die Euro-Rettung für alternativlos halten, so habe ich inzwischen Zweifel, ob diese Forderungen im Falle eines totalen Zusammenbruchs des Euro überhaupt durchsetzbar wären. Und selbst wenn – das sollte uns eine Billion Wert sein.

Ich habe mich immer gewundert, warum Schäuble und Merkel die Rettung des Euro als alternativlos darstellen und darüber sogar ihre Versprechen brechen. Permanenter Rettungsschirm? Mit Merkel und mir niemals, so Schäuble am 24. Juli 2010 im FAZ Interview. Und gut zwei Jahre danach ist der Rettungsschirm Realität.

Man mag im Detail viel streiten, aber eine lupenreine Erfolgsgeschichte ist der Euro nicht. Die Probleme sind struktureller Natur, was an sich leicht vorherzusehen war – jedenfalls habe ich am 2. Mai 1998 Beim Verfassungsgericht einen Eilantrag gestellt, der die Euro Einführung verhindern sollte. Das Grundproblem ist einfach, dass zu unterschiedliche Volkswirtschaften ohne eine einheitliche Wirtschaftsregierung in eine einheitliche Währung gequetscht wurden, wie diese Euro-Parabel verdeutlicht.

Aus diesem Grunde stand ich bislang auf dem Standpunkt, dass entweder endlich für eine zentrale Europäische Wirtschaftsregierung gesorgt werden sollte – was wohl ein neues Grundgesetz bedingen würde, wahrscheinlich durch eine Volksabstimmung abgesegnet (Art. 146 GG) – oder dass Deutschland den Euro-Raum verlassen muss.

Bislang ging ich auch davon aus, dass ein Euro-Austritt Deutschlands zwar teuer sei und kurzfristig der Exportwirtschaft schade, letztlich aber machbar sei. Letztlich habe ich diese Lösung auch favorisiert.

Seit gestern habe ich meinen Standpunkt geändert:

Die Rettung des Euro ist tatsächlich faktisch alternativlos.

Der Grund für meinen Sinneswandel hat 12 Nullen: 1.000.000.000.000 EURO Target II Salden. Die Sache die dahinter steht ist recht kompliziert, in Hans-Werner Sinns Buch „Die Target-Falle“ aber recht gut erklärt. Wer sich schneller in die Problematik einlesen will, dem sei das Interview mit Sinn in der F.A.Z. vom 18. Februar 2012 empfohlen.

Festhalten kann man aber, zerbricht die Euro-Zone oder tritt Deutschland aus dem Euro aus, kommen nicht nur die Haftungsmilliarden (allein ESM 190) auf uns zu, sondern auch die Haftung für die Target 2 Salden, die derzeit bei einer Billion Euro liegen. Der Anteil der Deutschen Bundesbank daran beträgt derzeit wohl um die 742 Milliarden Euro. Letztlich würde ein Euro-Austritt die Bundesrepublik deutlich mehr als eine Billion Euro kosten. Und über die Folgen für die Weltwirtschaft mag ich gar nicht nachdenken. Daher denke ich nicht, dass Deutschland diese Kosten tragen will, geschweige denn kann, ohne dass dies Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage jedes Bürgers hätte.

Gleichzeitig halte ich es aber unter den gegebenen Umständen für fatal, immer weiter nur an den Symptomen herumzudoktern, statt wirklich die Ursachen zu bekämpfen.

Europa braucht jetzt eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik, die wohl nur durch eine wirklich demokratisch legitimierte europäische Wirtschaftsregierung geleistet werden kann. Und dafür brauchen wir eine neue Verfassung, über „die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung“ abgestimmt werden muss.

Doch dazu haben wir nicht mehr viel Zeit.

Lasst den Euro sterben

Es gehört zu den Unsitten unserer Zeit, dass wir nicht akzeptieren wollen, was nicht sein sein darf, weil es für uns unvorstellbar ist. Dazu gehört das Sterben. Menschen werden quälend lange am Leben gehalten, das Leiden sinnlos verlängert bis dann doch der unvermeidliche Tod eintritt.

Auch der Euro ist so ein Koma-Patient, an dem hilflos herum gedoktort wird.

Lasst ihn endlich in Frieden sterben.

Heute stolperte ich über einen Blogbeitrag von mir mit „Gedanken über den Euro„. Und die sind immer noch aktuell – ziemlich genau sechs Monate, nachdem ich sie niedergeschrieben habe. Sechs Monate, in denen sich nicht viel geändert hat, außer dass die Krise noch schlimmer wurde. Die Argumente aus dem alten doch immer noch aktuellen Artikel muss ich hier nicht wiederholen.

Die Euro Krise ist inzwischen so komplex, dass sie wohl kaum mehr jemand komplett versteht, geschweige denn die Politiker, die darüber zu entscheiden haben. Und gerade das ist fatal, ist die Krise daher nicht mehr beherrschbar. Doch da das unvermeidliche nicht sein darf, wird der Komapatient Euro immer länger am Leben gehalten.

Vielleicht geschieht ein Wunder und die bisherigen Maßnahmen helfen. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Fraglich ist für mich inzwischen sogar, ob faktische „Vereinigte Staaten von Europa“ den Euro jetzt noch retten könnten. Von deren Vereinbarkeit mit den Verfassungen vieler Staaten einmal abgesehen.

Letztlich wäre ein Euro Zusammenbruch zwar disruptiv, aber keine Katastrophe. In den letzten 100 Jahren hat die deutsche Wirtschaft oft genug Währungsumbrüche und schlimmere Turbulenzen überlebt.

Und jedem Ende wohnt ein neuer Anfang inne.

Ausgelassene Feiern der Politik zur Griechenland-Rettung

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Bild: (c) Allposters