Gastbeitrag: Netzneutralität – was ändert die Entscheidung der EU?

Dieser Gastbeitrag gibt möglicherweise nicht meine Meinung wieder. Sie wollen hier auch mitschreiben?

Netzneutralität ist ein sehr abstrakter Begriff und daher war es für die meisten Internet-Nutzer kaum von Interesse, als das EU Parlament vor wenigen Tagen deren Abschaffung beschlossen hat. Dabei könnte diese Entscheidung durchaus konkrete Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung des Internets haben.

Worum geht es im Detail?

Prinzipiell bedeutet Netzneutralität, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden, so wie die Post alle Briefe gleich behandelt. Kein Dienst wird bevorzugt und kein Dienst wird blockiert, sondern egal um was es sich für Daten handelt, diese werden so schnell wie möglich weiter geleitet. So wird es derzeit auch in den meisten Fällen seit der Einführung des Internets im privaten Bereich gehandhabt.

Die bekannte Drosselung im Mobilfunk-Bereich, die es mittlerweile in allen Handytarife und Flatrates gibt (vgl www.allnetflat-24.de oder www.my-allnet-flat.de) verstößt dagegen nicht gegen die Netzneutralität, da von den Drosselung nach bestimmten Verbräuchen eben alle Daten betroffen sind. Angebote wie die Spotify Flat der Telekom verstoßen allerdings dagegen. Das Unternehmen bietet Kunden an, Spotify-Songs ohne Anrechnung auf das Datenvolumen zu übertragen. Selbst wenn alle anderen Dienste gedrosselt sind, kann man so ohne Probleme Spotify hören. Diese Bevorzugung wäre mit der Netzneutralität nicht vereinbar.

EU erlaubt Ausnahmen von der netzneutralität

Mit der Entscheidung des EU Parlamentes wurde zwar auf der einen Seite die Netzneutralität festgeschrieben aber gleichzeitig auch viele Ausnahmen definiert. So werden Internet-Anbieter zukünftig verpflichtet …

 … den gesamten Verkehr bei der Erbringung solcher Dienstleistungen gleich zu behandeln, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, sowie unabhängig von Sender und Empfänger, den abgerufenen oder verbreiteten Inhalten, den genutzten oder bereitgestellten Anwendungen oder Diensten oder den verwendeten Endgeräten …

Das Problem liegt allerdings bei den Ausnahmen. Abweichungen von diesen Regelungen sind möglich bei:

  • gerichtlichen Anordnungen
  • Schutz gegen Angriffe
  • Schutz vor Netzüberlastungen
  • Internet Spezialdienste

Genau bei diesen Spezialdiensten wird dann klar um was es geht: bestimmte Dienste dürfen besser gestellt werden als andere und damit ist die Netzneutralität nicht mehr gegeben. Es gibt zukünftig also ein neutrales Internet, in dem alle Daten gleich sind und ein Internet für Bessergestellte, deren Daten schneller und vorrangig befördert werden.

Die Telekom will Geld sehen

Die Telekom macht an dieser Stelle auch gleich Nägel mit Köpfen und zeigt, worum es bei der Debatte wirklich ging. Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom AG, schreibt dazu in einem Beitrag, dass man im Unternehmen bereits über Spezialdienste nachdenke und dafür lediglich ein paar Prozent Umsatzbeteiligung von den Unternehmen haben will.

Konkret heißt es dazu:

Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent. Das wäre ein fairer Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur.

Zukünftig lässt sich die Telekom also nicht nur für die Bereitstellung des Netzes von den Kunden bezahlen sondern auch von den Anbietern selbst. Die EU hat mit ihren Regelungen den großen Telekommunikationsunternehmen einen schönen neuen Markt eröffnet.

Andere Netzbetreiber haben sich noch nicht so konkret geäußert, allerdings ist nicht zu erwarten, dass sie großen Widerstand leisten werden, wenn von staatlicher Seite die Erlaubnis kommt, neue Einnahmequellen zu erschließen.

Wie sieht das Netz von morgen aus?

Wer zukünftig seine Kunden über das Internet erreichen will, muss daher unter Umständen an die großen Netzbetreiber zahlen. Diese digitale Maut ist bislang noch nicht konkret geregelt und es gibt auch noch keine Tarifmodelle zur Abrechnung.

Es ist aber bereits jetzt klar, wer diese zusätzlichen Kosten zahlen wird: der Endkunde. Die digitale Maut wird natürlich in die Kostenkalkulation mit einfließen und Dienste wie Netflix und Co sind dann einfach ein paar Euro teurer. Dafür bekommt man kein besseres Programm sondern nur die Gewährleistung, dass die Inhalte auch wirklich ankommen – obwohl das eigentlich selbstverständlich sein sollte und eine der Hauptaufgaben der Netzbetreiber ist. Bei Netflix dürfte das kein Problem sein, die Finanzbasis im Hintergrund ist stark genug. Aber ein neues Unternehmen oder ein neues Produkt werden es zukünftig schwer haben. Hätten sich Entwicklungen wie Videostreaming oder Smartwatches ohne Netzneutralität so weit entwickelt? Wahrscheinlich eher nicht …

Der epische twitter Dialog zwischen @telekom_hilft und dem @Griesgraemer (und noch einigen mehr) – für die Nachwelt festgehalten

Das twitter Support Team der Telekom (@telekom_hilft) hat sich heute einen wahrhaft epischen Dialog mit dem @griesgraemer geliefert, bei dem dann plötzlich noch der Rossmann Drogerie-Markt, HTC Deutschland und noch einige andere dabei sind. Hier der direkte Link.

Und da man nie weiß, ob so etwas für die Ewigkeit bleibt, hier der XXL Screenshot der Anfangsdiskussion (grundlegende Gedanken zur Netzneutralität und den Telekom AG in Hinblick auf die Spotify Flatrate etc spare ich mir an dieser Stelle – ich finde es einfach nur gut):

telekom-hilft-griesgraemer

 

…es geht übrigens noch munter weiter.

Offener Brief: nochmal an Angela Merkel zu #Neuland

Star Trek: The Original Series, Captain Kirk, Spock, Uhura and Dr. McCoyNein, ich wollte eigentlich nichts zur #Neuland Diskussion auf twitter, facebook und im Rest des Netzes schreiben. Warum auch. Machen ja schon genug andere, wobei das Spektrum hier von Häme (sogar Sixt stimmt schon ein) bis zur mehr oder weniger weitgehenden Zustimmung reicht.

Ibrahim Evsan hat einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin geschrieben, den ich als inhaltsleer bezeichnete. Zu recht fragten dann Claudia Hilker und Ibrahim selbst, was ich denn Frau Merkel schreiben würde. Nun, eigentlich gar nichts (s.o.) – aber wenn es denn sein muss… Ansonsten empfehle ich zur Lektüre noch dringend meine Beschimpfung der Netzgemeinde.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

Ihr Ausspruch, dass das Internet „Neuland“ für uns sei, hat ich bei Teilen der „Netzgemeinde“ hohe Wellen geschlagen. So hohe Wellen, dass sich Ihr Regierungssprecher zu dem klarstellenden tweet genötigt sah, dass Sie damit die rechtlichen Herausforderungen des Internets meinten.

Mir scheint es, als hätten Sie sich von diesen lauten Teilen der „Netzgemeinde“ zu der Verwendung des Begriffs „Neuland“ treiben lassen. Also wollten Sie sich damit entschuldigen, dass Sie vermeintlich nicht genug auf diese eingehen.

Besser hätten Sie aber von Alltag gesprochen.

Denn für die meisten Menschen in Deutschland ist das Internet Alltag. Ob online-Banking, die digitale Ausgabe der Bild-Zeitung, die online-FAZ, das Spiegel Archiv, Kaninchen-Foren, Youtube, Partnerbörsen und natürlich Wikipedia. twitter, Google+ und tumblr werden von diesen wahrscheinlich nicht genutzt. Und Prism, Acta und Netzneutralität interessieren Otto Normalverbraucher auch nicht. Und einige sind sogar gar nicht dabei bei diesem Internet. Ob einem das jetzt gefällt oder nicht – aber es lesen auch nicht alle Bundesbürger Bücher oder haben eine Kreditkarte.

Daher, liebe Frau Dr. Merkel, lassen Sie sich nicht treiben und verrückt machen. Denn die neue digitale Gesellschaft ist schon da. Dass deren Möglichkeiten von den Bürgern unterschiedlich intensiv genutzt werden, ist verständlich, auch wenn Teile der „Netzgemeinde“ das anscheinend nur schwer akzeptieren können und vom „digitalen Graben“ sprechen. Es steht aber jedem weitgehend frei für sich zu entscheiden, ob und wie weit er diesen Graben zu überschreiten will. Entscheidend ist gleichwohl, dass er die Möglichkeit hat, dies zu tun, wenn er denn will, doch sehe ich das derzeit nicht als Problem an.

Mit dem „Graben-Argument“ könnte man ebenso argumentieren, dass sich jeder zum Experten in Sachen gesunder Ernährung machen sollte. Oder sich umfassend mit dem CO2 Kreislauf beschäftigt, um profunde Beiträge zur Energiepolitik liefern zu können.

Richtig ist, dass uns das Internet auch politisch und rechtlich vor neue Herausforderungen. stellt. Aber das machen auch andere Entwicklungen und Technologien. Oft werfen diese Fragestellungen von sogar noch größerer Tragweite auf – man denke nur an die Gentechnik.

Den meisten Herausforderungen, die sich ergeben, kann mit unseren bestehenden Gesetzen begegnet werden. Meine Rechte, die durch PRISM verletzt werden, schützen das Grundgesetz und andere Regelungen an sich schon – es muss nur gehandelt werden. Und wenn es dann doch noch Regelungsbedarf gibt, sollen sich Experten damit befassen. So wie sich auch Experten um das Arzneimittelrecht, Deichhöhen oder die Krümmung von Gurken kümmern. Dass dabei auch die Bedenken aller Beteiligten gehört werden müssen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ist es aber leider nicht. Aber auch das ist ein generelles Problem.

Und so wünsche ich mir „Neuland“ auf allen Ebenen: eine Politik, die sich am Menschen orientiert. Eine Politik, die sich an der Interessen der Gemeinschaft und nicht einzelner Lobbygruppen ausrichtet. Eine Politik, die aber auch an die Minderheiten denkt und versucht, alle mitzunehmen. Eine Politik, die es leichter macht, Dinge hier in Deutschland zu verändern und nach vorne zu bringen. In allen Bereichen.

So gesehen ist überall Neuland. Nicht nur im Internet.

Vielen herzlichen Dank!

Ihr Severin Tatarczyk

Bild: (c) Allposters

Warum der Telekom-Drossselungs-Shitstorm reichlich übertrieben ist – eine Lanze für die Telekom

The Surrender of Breda, 1625, Detail of Soldiers with Lances, circa 1635Wie inzwischen wohl jeder mitbekommen hat, plant die Telekom ab 2016 die Geschwindigkeit von High-Speed Internetzugängen zu drosseln, wenn bestimmte monatliche Transfervolumen überschritten werden. Nachlesen kann man das im Telekom- Blog selbst. Seitdem ist über die Telekom ein riesiger Shitstorm hereingebrochen und auch die Politik meint, sich anbiedern zu müssen und postuliert schon fast ein Grundrecht auf die Flatrate.

Was bei der Diskussion untergeht: einige Anbieter haben schon entsprechende Beschränkungen. Zudem es ist noch gar nicht so lange her, da waren zeit- oder volumen-getaktete Tarifmodelle an der Tagesordnung. Und vor 23 Jahren musste ich mich von Bonn aus über den Münchener Compuserve Knoten ins Internet einwählen, um Gopher, Mail und Newsgroups nutzen zu können. Das „Web“ gab es damals noch gar nicht.

Natürlich, die Zeiten sind andere. Dass der Bandbreitenbedarf heute ein ganz anderer ist, wird niemand bestreiten. Und auch nicht, dass dieser in den nächsten Jahren weiter wachsen wird.

Dann darf man aber auch nicht verkennen, dass Glasfaserkabel, Peering-Points und LTE Basisstationen Geld kosten. Und dass natürlich die Telekommunikationsanbieter, die diese Technik bereitstellen Geld verdienen wollen und auch müssen.

Für die meisten Verbraucher dürften die Volumengrenzen ausreichend sein. Zuhause brauche ich ca. 40GB im Monat. Selbst mit meiner 100MBit Leitung kratze ich damit nicht einmal an der 70GB Grenze, die die Telekom für 16MBit Anschlüsse vorgesehen hat.  Mobil habe ich dann nochmals bis zu 10GB – und ist dort mein Highspeed-Volumen verbraucht, stocke ich es für 4,95 EUR wieder auf. Eine vergleichbare Möglichkeit wird es dann später bei den Festnetzanschlüssen geben.

Gut, bei den 40GB ist der Traffic, den das Digitalfernsehen (Unitymedia) verursacht, nicht eingerechnet. Und auch bei der Telekom wird das nicht Fall sein, soweit es Entertain und andere hauseigene Mediendienste betrifft.

Und hier ist der einzige Punkt, bei dem man kritisch nachhaken darf – Entertain-Traffic wird nicht angerechnet, Maxdome Traffic schon. Hierin könnte ein Verstoß gegen die Netzneutralität liegen, wobei seitens der Telekom argumentiert wird, dass die Kunden des hauseigenen Digitalfernsehens ja schon für den Dienst an sich bezahlen. Selbst wenn man dieser Argumentation nicht folgen will – hier ließen sich Lösungen finden, dass man sich z.B. bei bestimmten Tarifen für einen beliebigen Streaming Dienst entscheiden kann, der dann nicht auf das Volumenkontingent schlägt. Oder die Telekom öffnet Ihre managed Plattform, auf der Entertain läuft, für andere Anbieter. Möglichkeiten, das „Problem Netzneutralität“ zu lösen, gäbe es viele.

Letztlich ist das derzeitige Telekom-Bashing also mehr als überzogen.

Bild: (c) Allposters