Warum ich die #NazisRaus Kampagne auf twitter kritisch sehe

Am 1. Januar 2019 twitterte Nicole Diekmann, Mitglied der Hautpstadtredaktion des ZDF, „Nazis Raus“ und erhielt daraufhin viel Zustimmung, aber erwartungsgemäß auch sehr viel Kritik, nicht selten unter der Gürtellinie und per Privatnachrichten, die von Diekmann teilweise auch öffentlich gemacht wurde. Der eigentliche Shitstorm setzte aber erst ein, als Diekmann ebenfalls auf twitter gefragt wurde, was denn für sie ein Nazi sei und sie antwortete  – wohl ironisch gemeint – „Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.“ Viele sahen durch den tweet – in dem wahrscheinlich bei aller Ironie auch ein Fünkchen Wahrheit steckt – eben ihr Weltbild vom „grünversifften Staatsfunk“ bestätigt.

Mit etwas zeitlicher Verzögerung entwickelte sich insbesondere wieder auf twitter eine Solidaritätskampagne mit Diekmann, deren vorläufiger Höhepunkt am 7. Januar 2019 erreicht wurde: 10.000e schrieben einfach „Nazis Raus“ oder tweets mit dem Hashtag „#Nazisraus„.

So sehr jegliche verbalen Angriffe und Gewaltandrohungen auf Nicole Diekmann abzulehnen sind, so kritisch sehe ich aber auch die Art und Weise der Solidaritätskampagne.

Man könnte nun lange Diskussionen führen, ob es überhaupt noch Nazis gibt oder schon fast alle gestorben sind. Und ob man nicht korrekt – wie noch bis vor gar nicht allzulanger Zeit bei entsprechenden Diskussionen- von Neo-Nazis sprechen müsste. An dieser Stelle geschenkt. Und auch semantisch und juristisch möchte ich auf „Nazis raus“ hier nicht weiter eingehen, wobei es dazu auch genug zu schreiben gäbe.

Der Kern des Problems ist für mich ein ganz anderer:

Der Begriff „Nazi“ wird heute inflationär gebraucht.

Überspitzt ausgedrückt im journalistischen Mainstream in der Tat für fast alles, was politisch rechts von den Grünen steht. Und nicht nur das: inzwischen bezeichnen sogar rechte und konservative Kreise Teile der Antifa als die neuen Nazis.

All das wird dem Begriff nicht gerecht. Die Nazis und ihre Verbrechen sind einzigartig. Jemanden, der z.B. „Refugees welcome“ nicht uneingeschränkt zustimmt, als Nazi zu bezeichnen, relativiert die Tragweite dessen, was im Dritten Reich passiert ist, für mich in einer nicht angemessenen Art und Weise und beleidigt die Millionen Opfer des Nationalsozialismus. Mehr dazu gibt es bei jetzt.de.

Und wenn dann noch Massenmedien wie „Spiegel Online“ oder das „ZDF“ ohne den entsprechenden Kontext herzustellen einfach „Nazis raus“ twittern, ist für mich eine Grenze überschritten.

Solidarität mit Nicole Diekmann ist wichtig. Aber eben nicht so.

10 Fakten zum 21. Dezember

  1. Heute ist der traditionelle Thomastag, der immer noch begangen wird, auch wenn das Fest des heiligen Thomas 1970 auf den 3. Juli verlegt wurde. Um den heutigen Tag gibt es viele Bräuche und Aberglauben, die oft in vorchristlicher Tradition verwurzelt sind, da der Thomastag oft mit der Wintersonnenwende zusammenfällt. Mehr dazu haben wir hier.
  2. Marie und Pierre Curie entdecken 1898 das chemische Element Radium.
  3. Das erste Kreuzworträtsel der Welt erscheint 1913 in der Wochenendbeilage der New York World.
  4. Schneewittchen und die 7 Zwerge„, Walt Disneys erster abendfüllender Zeichentrickfilm, wird heute im Jahre 1937 in New York zum ersten mal aufgeführt.
  5. Charles de Gaulle wird 1958 zum ersten Präsidenten der 5. französischen Republik gewählt. Er erhält 78% der Wählerstimmen.
  6. Mit Apollo 8 macht sich am 21. Dezember 1968 erstmals ein bemanntes Raumschiff zu einer Mondumrundung auf. An Bord sind die Astronauten Frank Borman, James Arthur Lovell und William Anders. Dieser historische Flug markierte einen bedeutenden Meilenstein in der Weltraumforschung und ist eine wichtige Vorbereitung für die späteren Apollo-Mondlandungen.
  7. 1988 stürzt nach einer Bombenexplosion an Bord von Pan-American-Flug 103 eine Boeing 747 über der Ortschaft Lockerbie in Schottland ab. Alle 259 Menschen an Bord und 11 Einwohner von Lockerbie sterben. Hinter dem Anschlag wird Gaddafi vermutet. Libyen übernimmt dann auch 2003 die Verantwortung.
  8. 2012 endete die lange Zählung des Mayakalenders, die seit dem 11. August 3114 v. Chr. läuft. Entgegen mancher Befürchtungen ist die Welt nicht untergegangen.
  9. Thomas Becket kommt 1118 auf die Welt.
  10. Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld, Mitglied des deutschen Widerstands, wird 1902 geboren.

Hier sind mehr Infos rund um den 21. Dezember.

#Bautzen – oder wie ein Hashtag zeigt, wie zerrissen dieses Land ist

hashtag-bautzen

Warum ich weiter bei Amazon bestelle, aber keine Pferdefleisch-Lasagne esse

Black Beauty[Beliebiger-Firmenname-Einsetzen]-Checks sind ja derzeit sehr beliebt. Und besonders die ARD setzt derzeit massiv auf dieses Format.

Allein – es ist kaum zu ertragen: Sensationsgierig und vereinfachend bis hin zur Verfälschung. Die Masche ist immer die Gleiche: Man greife sich ein oder mehrere populäre Unternehmen, stelle eine steile negative These auf und zeichnet diese im kräftigen schwarz/weiß, ohne die Grautöne zu zeigen.

Beim Apple Check z.B. wurden insbesondere die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern wie Foxconn kritisiert. Bitteschön, dann hätte die Sendung auch der Foxconn Check heißen sollen. Oder gleich der Acer-Amazon-Apple-Cisco-Dell-HP-Intel-Microsoft-Motorola-Nintendo-Nokia-Samsung-Sony-Toshiba-Check. Denn auch die lassen alle bei Foxconn fertigen. Und zwar unter den gleichen Bedingungen. Der Rest beim Apple Check war ohnehin oberflächliches Geblubber und erreichte nie den Kern des Problems.

Oder jetzt bei der „Ausgeliefert!“ Amazon Doku (ebenfalls ARD). Ja, es ist wirklich scheiße, dass dort zur Kontrolle der Amazon-Zeitarbeiter Security-Neonazis eingesetzt werden. Sicherheitsfirmen scheinen eben leider immer wieder so Nazi-Schläger-Typen anzuziehen (ich könnte jetzt viel über Psychologie, Gewaltpotential, Unterdrückungsphantasien verkomplexter Menschen sowie Parallelen zur SA und SS schreiben, das würde aber den Rahmen hier sprengen). Es stimmt auch, dass die Unterbringungs- und Arbeitsbedingungen sicher nicht optimal waren. Sie sind aber auch nicht unmenschlich.

Insbesondere gilt aber auch hier: Das ist nicht nur bei Amazon so, sondern überall, wo ausländische Zeitarbeitskräfte eingesetzt werden. Teilweise sogar noch deutlich schlimmer. Fragen Sie mal polnische Spargelstecher. Oder hören Sie sich bei vielen anderen großen Versandhändlern um.

Außerdem sind Sie ein bisschen Schuld an den Missständen. Denn jetzt mal ehrlich: Nehmen wir mal an, sie suchen eine günstige Digitalkamera. Sagen wir mal die Samsung DV300F:

amazon-versandkosten

Bei wem bestellen Sie? Wahrscheinlich doch beim günstigeren versandkostenfreien Amazon-Angebot. Jedenfalls hätten Sie das vor der Ausstrahlung der Dokumentation gemacht. Und auch wenn Sie sich jetzt für das günstigere Angebot entschieden würden: Sorgen um die armen Zeitarbeiter machen müssten Sie sich wohl nicht. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird Ihre Bestellung derzeit von einem der über 7.000 festen Amazon Mitarbeiter in Deutschland verpackt. Oder von einem Roboter. Im übrigen erkennen sogar die Gewerkschaften an, dass sich Amazon in den letzten Jahren einiges gebessert hat und Amazon auch die Zeitarbeiter besser bezahlt, als dies bei einigen Mitbewerbern der Fall ist.

Allein Amazon boykottieren ist also unsinnig. Es sei denn, Sie achten auch sonst darauf, dass nichts von Foxconn oder anderen asiatischen Fabriken kommt, nicht von schein-selbständigen LKW Fahrern über die Autobahnen gefahren wird und keine seltenen Erden enthalten sind, die unter menschenunwürdigen und umweltverschmutzenden Bedingungen in China gefördert werden. Sehen Sie? Die Liste ließe sich im übrigen endlos erweitern.

Amazon wird jetzt aufgrund der Berichterstattung sicher einiges ändern, womit die Reportage – das will ich auch anerkennen – ja einen guten Zweck erfüllt hätte.

Ganz anders und viel schlimmer ist jedoch das Problem mit der Pferdefleisch-Billig-Lasagne.

Oder glauben Sie ernsthaft, dass Sie zu den Preisen qualitativ hochwertige Ware bekommen können? Oder dass der Preisdruck nicht zum Schummeln einlädt?

Ganz zu schweigen davon, dass die Schlachter, Fleischzuschneider und anderen Aushilfen in der Lebensmittelfabrik deutlich weniger verdienen als die Lagerzeitarbeiter bei Amazon und unter deutlich schlechteren Bedingungen hart schuften müssen.

Und haben Sie mal gesehen, wie es den Tieren bei der Aufzucht mit schön viel Antibiotika und den Transporten zu den Massenschlachtungen geht?

Billig-Lebensmittel sind das eigentliche Problem.

Daher kaufe ich schon lange lieber regional sowie saisonal und koche selbst, statt zur Fertig-Lasagne zu greifen.

Liebe Amazon Boykotteure – das wäre mal wirklich etwas sinnvolles, womit man nicht nur ein Zeichen setzen kann, sondern wirklich etwas verändert. Zumal man damit auch sich selbst und seiner Gesundheit einen Dienst erweist.

So und lege ich den Sauerbraten für nächsten Sonntag ein. Rheinisch, vom Pferd.

Weitere Lesenswerte Beiträge zum Thema:

Bild Black Beauty: (c) Allposters