Warum die Snapchats Spectacle nicht floppen wird

Ach ja, Datenbrillen, VR Headsets, AR Kopfbedeckungen… viel ließe sich darüber schreiben. Ich will aber nur kurz auf eine neuen Datenbrille eingehen: Spectacles von Snapchat. Daniel Fiene meint, die Brille würde auch floppen – wir wären einfach noch nicht weit genug für Datenbrillen.

Was Google Glass angeht, gebe ich ihm Recht. Googles Konzept war so ausgelegt, dass man die Brille immer tragen sollte. Allerdings sah man damit aus wie ein Borg. Oder ein Glasshole. Und die Typen, die diese Brillen getragen haben, waren in der Regel auch – ach lassen wir das…

Mit Spectacles von Snapchat ist es etwas anderes. Ich bin mir sicher, dass diese Brille zumindest nicht floppen wird. Und dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen sieht sie nicht so creepy aus, wie Google Glasss, eher wie eine normale Sonnenbrille. Zum anderen hat sie EIN klares Anwendungszenario: Snaps erstellen. Man tippt auf einen Knopf am linken Bügel und es wird ein 10sekunden Video aufgenommen, das man dann über sein Smartphone zu Snapchat hochladen kann.

Daher ist das auch keine Brille, mit der man anfangs den ganzen Tag durch die Gegend läuft. Sondern eine, die man bei bestimmten Gegebenheiten bewusst auf- und einsetzt. So wie man früher die Polaroid Kamera gezückt hat. Auf Partys – „Hey, mach doch mal ein paar Snaps von von uns.“, bei Sportveranstaltungen. Oder bei Gruppenfotos vor dem Eiffelturm. Danach setzt man die Brille ab. Irgendwann dann auch nicht mehr, denn alle haben sich daran gewöhnt.

Wahrscheinlich wird Spectacles einer der wichtigsten Schritte in die Post-Smartphone-Ära sein. Dazu später mehr.

Anmerken darf ich noch, dass ich Snapchat nicht mag. Nicht zuletzt deswegen, da es immer noch keine Windows 10 mobile App gibt. Aber auch das ist ein anderes Thema.

Meinung: Glassholes

Es gehört inzwischen schon so sehr zum guten Ton, Google Glass Nutzer als Glassholes zu bezeichnen, dass man schon fast gar nicht mehr weiß, wie man sie anders nennen soll. Kein Wunder, geistern doch die wildesten Gerüchte über die Google Datenbrille durchs Netz:

Sie erlaubt es ihrem Träger, Dich heimlich zu fotografieren und seine Umgebung dauernd zu filmen. Die ganzen gesammelten Informationen werden dann gleich heimlich an Google und/oder die NSA weitergegeben, wo dann… Alles Quatsch.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Bildqualität der Glass-Kamera ziemlich bescheiden ist – wenn man damit fotografiert, leuchten die Gläser auf, so dass das Gegenüber das Fotografieren auch direkt mitbekommt. Heimlich ist also nicht, da greift man besser zur Minikamera im Knopfloch. Und auch fürs Dauerfilmen ist Glass nicht geeignet, allein schon wegen des Akkus. So viele Daten können also gar nicht in die Hände von wem auch immer fallen – jedenfalls deutlich weniger, als man mit einem normalen Smartphone heutzutage produzieren kann und in der Regel jeder normale User auch produziert.

Soweit die Fakten, sachlich gesehen also alles kein Problem. Sascha Pallenberg regt sich dann auch ziemlich über die Glass Kritiker auf, die er als apokalyptische Traumtaenzer abtut. Soweit deren Kritik auf falschen Grundannahmen beruht, hat er damit ja auch Recht. Sachlicher geht Ricarda Riechert an das Thema heran und stellt treffend fest, dass Überwachung nicht durch Google Glass kommt, sondern schon lange da ist. Stimmt alles.

Allerdings – würde mein Gegenüber Google Glass tragen, würde ich es bitten, die Brille abzunehmen. Obwohl ich weiß, dass unbemerkt keine Bilder von mir gemacht werden können. Interessanterweise hätte ich kein so großes Problem damit, wenn mein Gesprächspartner eine Helmkamera tragen würde – obwohl ich mit der viel besser und länger gefilmt werden könnte. Völlig normal ist, dass viele Mitmenschen inzwischen ihre Smartphones fast jederzeit in der Hand halten und sofort ein Foto von mir machen könnten.

Das Problem, das ich mit Google Glass habe, ist ein ganz anderes.

Wenn ich mich mit jemanden unterhalte, schaue ich ihm in die Augen. Beim Glasshole ist unmittelbar neben seinen Augen ein drittes Auge. Ein technisches Auge, das mich permanent anzustarren scheint. Und das Gefühl mag ich nicht. Das Glass Problem ist also irgendwo ein psychologisches. Vielleicht bin ich mit diesem Gefühl zu altmodisch oder zu empfindlich, aber sicher nicht der einzige, dem es so geht. Ich glaube sogar, dass dieses diffuse Gefühl der Hauptgrund ist, der vorerst verhindern wird, dass wir im Alltag viele Datenbrillen sehen werden. Google hat das glaube ich auch schon erkannt.

Das soll aber nicht heißen, dass sich Glass und seine Nachfolger und Wettbewerber nicht in anderen Bereichen durchsetzen werden. Bei Polizei, Militär und Bodyguards – eben Personen, die in vielen Situationen gar keine Zeit oder Hand frei haben, um Informationen von einem herkömmlichen Gadget abrufen zu können. Bei Chirurgen, die beide Hände zum operieren brauchen. Bombenentschärfer. Chemiker. Feinmechaniker. Uhrmacher. Menschen mit Handicapp.

Vielleicht gewöhnen wir uns über darüber langsam an Glass und finden es nicht ungewöhnlich, wenn uns Jogger oder Radfahrer damit entgegenkommen, die es zur Navigation und zur Kontrolle ihres Tempos und Pulsschlags nutzen.

Und wenn dann noch die Kamera unauffälliger wird, muss mein Gegenüber sein Glass auch nicht mehr abnehmen.