Angela Merkel CCCXLIX

Angela Merkel CCCXLIX.

Bei der Bundestagswahl 1998 verliert Angela Merkel in ihrem Wahlkreis rund 11 Prozentpunkte der Erststimmen, verteidigt aber dennoch ihr Direktmandat.

Generell handelt es sich um das schlechteste Ergebnis der CDU bei einer Bundestagswahl seit 1949, Gerhard Schröder wird Helmut Kohl als Kanzler ablösen.

Karikatur mit Midjourney erstellt.

Angela Merkel CCCXL

Angela Merkel CCCXL.

Bei der Bundestagswahl am 18. September 2005 erreichen CDU/CSU mit der ihrer Spitzenkandidatin Angela Merkel 35,2 Prozent (2002: 38,5), knapp vor der SPD mit 34,2 Prozent. Die Union bleibt deutlich hinter ihrem Wahlziel, eine Regierungsmehrheit für CDU/CSU und FDP zu erreichen, zurück. Historisch handelte es sich bei dem CDU-Ergebnis um das schlechteste seit 1949, bei dem gesamten Unions-Ergebnis um das zweitschlechteste. Merkel konnte sich aber dennoch auf einen knappen Vorsprung von vier Sitzen und damit einen der engsten Wahlausgänge der bundesdeutschen Geschichte stützen.

Aufsehen erregte die Elefantenrunde am Wahlabend: Trotz des unsicheren Wahlausgangs beanspruchten sowohl Angela Merkel (CDU/CSU) als auch Gerhard Schröder (SPD) das Kanzleramt für sich, wobei Schröder in der Debatte besonders selbstbewusst auftrat. Die Runde war geprägt von angespannten und hitzigen Diskussionen, die die Unsicherheit über die bevorstehende Regierungsbildung widerspiegelten.

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Angela Merkel CCXXI

Angela Merkel CCXXI.

Die rot-grüne Regierung machen Angela Merkel am vorgezogenes Weihnachtsgeschenk: Nach der schweren Niederlage der SPD in der Landtagswahl am 22. Mai 2005 erklärt eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale SPD-Parteichef Franz Müntefering, dass die SPD eine vorgezogene Neuwahl des Bundestages für den Herbst 2005 anstrebt. Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigt dies wenig später.

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Angela Merkel LXXXVIII

Angela Merkel LXXXVIII.

Am 9. Januar 2006 erscheint „Der Spiegel“ mit einem großen Interview mit Angela Merkel. In der Hausmitteilung des Magazins steht dazu:

Wie wenig sich seit dem Regierungswechsel im Chefzimmer des Kanzleramts verändert hat, fiel den Redakteuren Stefan Aust, 59, Ralf Neukirch, 40, und Gabor Steingart, 43, auf, als sie Kanzlerin Angela Merkel, 51, vorigen Donnerstag in deren Büro zum SPIEGEL-Gespräch trafen. … Vertraut war den SPIEGEL-Leuten auch das Personal: Thomas Steg, 45, kam hinzu, er war Schröders Vertrauter und stellvertretender Regierungssprecher; von der Großen Koalition wurde er erneut zum Vizechef des Bundespresseamts berufen. Kontinuität scheut die Kanzlerin auch nicht, wenn sie sich, mit kritischem Ton, über das Verhältnis zu den USA äußert. Beim anstehenden Besuch in Washington wolle sie Präsident George W. Bush, 59, sehr wohl auf das US-Häftlingslager auf Kuba ansprechen. … Und als die SPIEGEL-Redakteure auf ein zügigeres Reformtempo drängten, antwortete Merkel, als spräche ihr Vorgänger: In der Demokratie komme es doch darauf an, Mehrheiten zu gewinnen.

Gerade den letzte Satz sollte sich in den nächsten Jahren ihrer Kanzlerschaft bitter bewahrheiten: Sie scheute Reformen, um Mehrheiten nicht zu verlieren.

Karikatur mit Midjourney erstellt.

Was bedeutet ZPD?

Im März begegnet einem auf twitter manchmal die Abkürzung ZPD, oft als Hashtag #ZDP. Es ist eine Anspielung auf die Russlandfreundlichkeit einiger SPD Politiker wie Manuela Schwesig, Gerhard Schröder oder Ralf Stegner.

Das S der Abkürzung SPD wurde dazu einfach durch das Z der russischen Invasionstruppen in der Ukraine ersetzt.

Nicht verwechseln mit ZDP.

Dokumentiert: Das Schreiben, mit dem Gerhard Schröder auf die Ehrenbürgerschaft Hannovers verzichtet

Hier dokumentieren wir das Schreiben, mit dem Altbundeskanzler Gerhard Schröder auf die Ehrenbürgerschaft Hannovers verzichtet.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Ihr Schreiben vom 11. März 2022 habe ich erhalten.

Danach soll der Rat der Stadt Hannover mir die Ehrenbürgerwürde entziehen.

Zu den mir mitgeteilten Inhalten werde ich nicht Stellung nehmen.

Ich verzichte unwiderruflich auf die Ehrenbürgerwürde der Stadt Hannover

Dokumentiert: Der Ausschlussantrag der SPD Heidelberg gegen Gerhard Schröder

Die SPD Heidelberg beantragt gemäß 58 des Organisationsstatus und 56 der Schiedsordnung die Durchführung eines Parteiordnungsverfahrens gemäß § 35 des Organisationsstatus auf Ausschluss gegenüber dem Mitglied Gerhard Schröder.

Im Folgenden werden wir den Sachverhalt, die Vorwürfe und Beweise aufführen.

Sachverhalt und Handeln von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen:

  1. Am 24.2.2022 hat der russische Präsident, Wladimir Putin, einen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet. Dieser wird von der EU, der NATO und diese Woche auch voraussichtlich von der UN-Vollversammlung verurteilt. Im UN-Sicherheitsrat wurde ein Beschluss zur Beendigung des Krieges nur mit dem russischen Veto verhindert.
  2. Deutschland, die EU und weitere Verbündete wie Großbritannien, die USA, Kanada, die Schweiz und viele weitere Staaten haben in der Zwischenzeit weitreichende Sanktionen gegen die russische Regierung, russische Unternehmen und Oligarchen erlassen. So z.B. die Abkopplung des internationalen Zahlungsverkehres, der Exportstopp relevanter Güter, Einfrieren ausländischer Devisen der Zentralbank und Privatvermögen.
  3. Auch privatwirtschaftliche Unternehmen wie BP trennen sich von ihren Anteilen des russischen Rosneft-Konzerns mit Verweis auf dessen Verwicklungen in den Krieg in der Ukraine. Die UEFA und auch der Verein Schalke 04 haben Anfang der Woche die Verträge mit dem russischen Gasunternehmen Gazprom gekündigt, weil dieses unmittelbar mit der Machtpolitik Putins in Verbindung steht.
  4. Auf persönlicher Ebene hat z.B. Christian Kern, ehemaliger Kanzler Osterreichs, seinen Aufsichtsratsposten bei der russischen Staatsbahn mit Verweis auf ihre Funktion als „Kriegslogistik“ abgegeben und damit seine Verbindungen zu Putin abgebrochen.

Verbindungen Gerhard Schröders mit russischen Unternehmen und der russischen Politik:

  1. Durch die Verminderung der Rohstofflieferungen und den daraus resultierenden niedrigen Lagerbeständen in Deutschland bereiteten Rosneft und Gazprom wirtschaftliche Druckmittel auf Deutschland für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor.
  2. Das SPD-Mitglied Gerhard Schröder ist der Aufsichtsratsvorsitzende von Rosneft und trägt damit direkte Verantwortung für Kriegswichtige Industrien sowie für die Vorbereitung seitens russischer Konzerne. Auch die Nominierung für den Aufsichtsrat bei Gazprom, was in einer Autokratie einer Ernennung gleichkommt, zeigt die Verstrickungen des Mitglieds in den kriegswichtigen Industrien.
  3. Nach einer Woche Angriffskrieg in der Ukraine hält das SPD-Mitglied Gerhard Schröder das Engagement bei Rosneft sowie seine Nominierung für den Aufsichtsrat bei Gazprom aufrecht.
  4. Als Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nordstream AG, dessen Mehrheitseigner Gazprom ist, hat Gerhard Schröder die Aufsicht über das Unternehmen und damit die Gaslieferungen. Die Reduktion der Lieferungen als Vorbereitung für eine stärkere Abhängigkeit und Absicherung in der Kriegspolitik Putins hat er damit legitimiert.
  5. Auch die langjährige Freundschaft Gerhard Schröders mit dem russischen Autokraten Putin ist bekannt. So wurde der russische Präsident beispielsweise auf den 70ten Geburtstag von Schrödergeladen, was bundesweit in den Medien berichtet wurde. Das Fehlen einer persönlichen Distanzierung von Putin und seinem mörderischen Regime wird aufgrund vergangener Ämter und Mandate von Gerhard Schröder ebenfalls mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Verbindung gebracht. Dies ist ein parteischädigendes Verhalten.

Grundsätze der SPD in Verbindung mit Schröders Verhalten:

  1. Dieses Engagement widerspricht den Grundsätzen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in deren Grundsatzprogramm steht: „Die SPD ist Friedenskraft in Deutschland und Europa. Jegliche Form von Angriffs- und Präventivkriegen lehnen wir ab.“ (S.20) Dies betrifft auch das Engagement bei der Vorbereitung dieser Angriffskriege.
  2. Es wird weiter ausgeführt, dass „…Sicherheit für alle Menschen […] Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit, Demokratie, soziale, wirtschaftliche, kulturelle und nachhaltige Entwicklung [voraussetzt]“ Dies ist diametral zum Handeln Putins und erfordert von jedem Mitglied eine Distanzierung.

Gemäß 535 Abs. 3 des Organisationsstatus fordert die SPD Heidelberg deshalb den Ausschluss des Mitglieds Gerhard Schröder aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Das Mitglied Gerhard Schröder handelt durch die o.g. Verbindungen insbesondere gegen die Grundsätze der Partei und fügt ihr außerdem durch seine dauerhafte mediale Präsenz und durch seine öffentlichen Äußerungen schweren Schaden zu.

Dokumentiert: Das Statement von Gerhard Schröder zu den Angriffen Russlands auf die Ukraine

Gerhard Schröder hat sich über LinkedIn am 24. Februar 2022 zur Invasion der Ukraine durch Russland geäußert. Wir dokumentieren dieses Statement hier:

Der Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine muss schnellstmöglich beendet werden. Das ist die Verantwortung der russischen Regierung.

Viel ist in den vergangenen Jahren über Fehler und Versäumnisse im Verhältnis zwischen dem Westen und Russland gesprochen worden. Und es gab viele Fehler – auf beiden Seiten. Aber auch Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigen nicht den Einsatz militärischer Mittel.

Und mit Blick auf die Zukunft gilt, dass jetzt bei notwendigen Sanktionen darauf geachtet wird, die verbliebenen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen, die zwischen Europa und Russland bestehen, nicht gänzlich zu kappen. Denn diese sind – trotz der gegenwärtig dramatischen Lage – die Basis für eine Hoffnung, die wir alle haben: dass ein Dialog über Frieden und Sicherheit auf unserem Kontinent wieder möglich ist.

Bild: So-Yeon Schröder Kim über Instagram

Meinung: Russland, die Krim und ein paar Hintergründe

Schröder mal wieder

Altkanzler Gerhard Schröder hat wieder für Aufsehen gesorgt, indem er meinte, dass die Krim altes russisches Territorium sei – und wurde dafür gleich z.B. von der Bild kritisiert. Und auch als ich bei einem tweet anmerkte, dass er historisch damit nicht falsch liege, folgte gleich einige Einwände:

  • Historisch kann man fast alles begründen. Die Zeit geht aber darüber hinweg und formt neu.
  • Und wo historisch gesehen Polen schon war???
  • Historisch gesehen war aber auch Moskau mal polnisches Territorium.

Doch wie ist hier eigentlich die historische Situation?

Die Geschichte der Krim

Nach einer recht wechselvollen Geschichte gehörte die Krim seit dem 15. Jahrhundert als Vasallenstaat faktisch zum Osmanischen Reich und wurde 1774 unabhängig. Am 8. April 1783 erklärte Katharina II. die Krim „von nun an und für alle Zeiten“ als russisch, was vom Osmanischen Reich mit dem Vertrag von Jassy am 6. Januar 1792 anerkannt wurde.

Nach den Irrungen und Wirrungen der Revolution und der beiden Weltkriege wurde die Krim zunächst eine Verwaltungseinheit (Oblast) innerhalb der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR).

1954 schlug der aus der Ukraine stammende Nikita Chruschtschow als sowjetischer Parteichef der „Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik“ zu. Maßgeblich sollen dafür wirtschaftliche und verwaltungsrechtliche Gründe gewesen sein. Dass die Sowjetunion auseinanderbrechen könne, war für ihn wohl kaum vorstellbar. Gleichwohl dürfte dies ein Verstoß gegen die Verfassung der Russischen Föderation (RSFSR) gewesen sein, die die territoriale Integrität des Vaterlandes zu wahren verpflichtete. Und wenn hätten der Oberste Sowjet in Moskau und der in Kiew zustimmen müssen, was aber nicht geschah. Als der 1. Sekretär der KPdSU auf der Krim, Pawel Titow, gegen dieses Vorgehen protestierte, wurde er durch Dmytro Polianski ersetzt.

1991 dann sprach sich die Bevölkerung der Krim mit 93 % der Stimmen in einem Referendum für die Wiederbegründung der „Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Krim“ (ASSK) als Subjekt der UdSSR und Teilnehmer des Unionsvertrages aus. Der Oberste Sowjet der Ukraine bestätigte dies grundsätzlich in einer Entscheidung am 12. Februar 1991, allerdings als Wiederbegründung der ASSK im Bestand der Ukrainischen SSR. Da eine ASSK jedoch vorher nie innerhalb einer Ukrainischen SSR existierte, kann es juristisch gesehen auch keine Wiederbegründung innerhalb dieser geben. Vollzogen wurde dies dennoch. Die Krim wurde jedenfalls zu einem Teil der Ukraine.

Im Budapester Memorandum von 1994 verpflichteten sich dann die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Russland gegenüber der Ukraine, als Gegenleistung für einen Nuklearwaffenverzicht die Souveränität und die bestehenden Grenzen derselben zu achten (Art. 1: The United States of America, the Russian Federation, and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, reaffirm their commitment to Ukraine, in accordance with the principles of the CSCE Final Act, to respect the Independence and Sovereignty and the existing borders of Ukraine.)

Dessen ungeachtet wurde die Krim dann ab 2014 faktisch durch Russland annektiert.

Und jetzt? Ist die Krim russisch – und mal wieder etwas über reflexhafte Reaktionen

Ich bin kein Völkerrechtler und möchte und kann mir hier kein Urteil über den Status der Krim erlauben. Klar ist allerdings, dass sie zum einen historisch gesehen russisch ist und die Eingliederung in die Ukraine – 1954 und 1991 – juristisch fragwürdig ist.

Insoweit finde ich die Situation nicht mit ehemals deutschen oder polnischen Gebieten (s.o.) vergleichbar. Fraglich ist freilich, wie das Budapester Memorandum zu bewerten ist und ob dies für Heilung und damit wirksame Eingliederung der Krim in die Ukraine gesorgt hat.

So oder so: ganz eindeutig ist die Rechtslage nicht. Und statt reflexhaft auf die bösen Russen zu schimpfen und Schröders Aussage pauschal anzugreifen, sollte man sich differenziert mit der Geschichte befassen – einmal ganz abgesehen davon, dass die Krim nach wie vor ethnisch und kulturell russisch geprägt ist.

Zu dieser differenzierten Betrachtung gehört aber freilich auch, dass Art und Weise der Annexion der Krim durch Russland so nicht zu akzeptieren sind. Und darüber – und über die Krim allgemein – habe ich 2014 schon geschrieben, was immer noch aktuell ist.

Wie immer im Leben und gerade auf der Weltbühne ist nicht alles Schwarz / Weiß.

Bild: pixabay, Blick von Jalta aufs Meer

Meinung: Was mich an der Politik 2019 stört – und was sich ändern sollte

Politik für die einfachen Leute – und die Zersplitterung des deutschen Parteiensystems

Ich darf Sie vorwarnen. Wenn Sie hier eine tiefschürfende Analyse erwarten, hören Sie auf zu lesen. Hier schreibe ich nur spontan, was mich an der Politik in Deutschland Stand 2019 am meisten stört.

Auslöser für diesen Beitrag ist eine von der F.A.Z. dokumentierte Rede Erwin Teufels, die zwar von 2011 ist, in der ich aber eine Aussage in Hinblick auf die CDU interessant und nach wie vor zutreffend finde:

Dahin müssen wir auf Bundesebene und Landesebene wieder kommen: dass wir in den Augen der Bürger wieder die Partei der einfachen Leute, die große Volkspartei der Mitte, sind. Die einfachen Leute sind immer in der Mehrheit.

Und je länger ich über diese Aussage nachdenke, um so mehr zeigt sie das Grundproblem der heutigen Politik: Es gibt keine Partei mehr, die diese einfachen Leute im Blick hat.

In meiner Jugend – in den frühen 1980ern – war es einfach. Die CDU kümmert sich um die bürgerlichen einfachen und nicht so einfachen Angestellten, die SPD um die einfachen Arbeiter, die FDP um die Angehörigen der freien Berufe, die Grünen um die Umweltbewussten. Und neben diesen vier großen Parteien gab es – bezogen auf die Bundestagswahl 1983 – 0,4%, die sich auf acht sonstige Parteien verteilten. Bei der Bundestagswahl 2017 hingegen sind das linke und rechte Lager durch „Die Linke“ und die „AfD“ zersplittert und mehr als 30 sonstige Parteien holen 5% der Stimmen.

Nach den meisten aktuellen Umfragen im Frühjahr 2019 würde es zu einer großen Koalition aus CDU und SPD nicht einmal mehr reichen. Die große Bindungskraft der beiden ehemaligen großen Volksparteien ist weg.

Erwin Teufel dürfte damit richtig liegen, dass die CDU – insbesondere aber auch die CDU – die einfachen Leute aus dem Auge verloren hat.

Doch gibt es die einfachen Leute angesichts eines immer stärker ausgeprägten Individualismus noch?

Ich glaube ja. Die „einfachen Leute“ wollen ihren sicheren Job, ein oder zwei mal im Jahr in den Urlaub, eine funktionierende Infrastruktur, soziale Absicherung, Sicherheit nach Innen und Außen und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Und während die einen in ihrer Freizeit zum Schützenverein gehen oder im Kirchenchor singen, praktizieren die anderen lieber Yoga oder suchen den Kick beim Bungee-Jumping. Ansonsten wollen sie ihr Leben ohne übermäßige Bevormundung leben.

Die Veroberlehrerung, Vertwitterung und Berlinisierung der Politik

Schauen wir auf die Parteienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland, so war diese die ersten 30 Jahre verblüffend stabil. In den frühen 1980ern stießen die Grünen in eine Lücke, die von den Volksparteien so nicht abgedeckt wurde. Zu einer Zersplitterung der beiden großen Lager kam es dann erst durch „Die Linke“ und die „AfD“. Während „Die Linke“ für die SPD aufgrund der Wiedervereinigung in gewisser Weise eine „Naturgewalt“ und nur zum Teil – Streit zwischen Schröder und Lafontaine – selbst verschuldet war, ist die AfD ein von der CDU selbst verursachtes Problem.

Das Thema der AfD war anfangs die Europolitik der Regierung, die von dieser als alternativlos dargestellt wurde. Bedenkenträger wurden als Spinner abgetan, es wurde gleichsam diktiert, was richtig und was falsch sei. Die Politik als Oberlehrer der Bevölkerung ist eine Entwicklung, die sich seitdem fortgesetzt und auf viele andere Bereiche ausgeweitet hat, Stichwort Klima oder Migration. Wer in diesen Bereichen von der „offiziellen“ Linie abweicht, wird schnell in eine extreme Ecke gerückt und ist in Diskussionen schnell ein Paria. Dadurch hat sich die politische Diskussionskultur aus der breiten Mitte verabschiedet und rückt in die radikalen Ränder. Mitursächlich für diese bedenkliche Entwickelung ist im übrigen das, was ich die Methode Merkel nenne, die nicht nur auf die Politik abfärbt sondern ebenfalls schon auf viele Medien, die am liebsten vorschreiben wollen, welche Positionen richtig und welche falsch sind.

Getrieben wird diese Entwicklung auch durch twitter. Das soziale Netzwerk ist besonders bei Politikern, Aktivisten und Journalisten besonders beliebt und ist sicherlich auch ein Seismograph dafür, welche Themen in diesen Kreisen gerade wichtig sind. Doch der Einfluss von twitter ist zu groß, viele Politiker richten ihre Positionierung nach dem dortigen Stimmungsbild aus, übersehen aber, dass die meisten „einfachen Leute“ twitter nicht einmal kennen, geschweige denn nutzen. twitter ist progressiver, radikaler – sowohl links wie rechts – und differenzierte moderate Positionen haben dort kaum eine Chance. twitter jedenfalls ist alles andere als ein Abbild der bundesrepublikanischen Gesellschaft.

Ebenso, wie auch Berlin nicht Deutschland abbildet. Ich hielt es für einen Fehler, die Hauptstadt von Bonn nach Berlin zu verlegen, da Berlin das Denken zu sehr prägt. Vielmehr halte ich sogar das Modell einer Hauptstadt für nicht mehr zeitgemäß und plädierte schon 2011 unter der Überschrift „Schafft die Hauptstadt ab„, die bundesstaatlichen Institutionen – noch stärker als es ohnehin schon der Fall ist – über ganz Deutschland zu verteilen. Ich bin davon überzeugt, dass die Entscheidung für Berlin als Regierungssitz und die damit einhergehend zunehmende, der föderalen Struktur und Tradition Deutschlands widersprechende, Zentralisierung dazu führen, dass die „einfachen Leute“ mehr und mehr aus dem Blick der Politik geraten.

Was sollte sich ändern?

Ob die einfachen Leute immer richtig liegen, weiß ich nicht. Aber Erwin Teufel hat auch Recht mit seiner Einschätzung, dass die einfachen Leute die Mehrheit in Deutschland stellen.

Eine Mehrheit, die derzeit von der Politik nicht repräsentiert wird, vielmehr sogar ignoriert, nicht ernstgenommen und teilweise sogar verachtet wird.

Dabei ist eigentlich alles ganz einfach:

  • Hört Euch gegenseitig.
  • Redet miteinander.
  • Diskutiert ergebnisoffen.
  • Akzeptiert andere Meinungen.

Und besonders: Nehmt die einfachen Leute wieder ernst.