Warum auch ello kein facebook Killer ist

Eine neue Sau wird durchs Dorf gejagt

ello-hype

Es haben schon so viele versucht: app.net, Path, Diaspora, das neue myspace. Und doch sind sie alle irgendwie gescheitert, sogar Google. Den von so vielen herbeigesehnten facebook Killer hat bisher noch keiner entwickelt.

Und auch ello wird es nicht werden.

Ich habe in den letzten Tagen ein wenig mit ello herumgespielt und für Einsteiger eine kurze ello Anleitung erstellt, wobei ich mich dabei auf die technischen Aspekte konzentrierte – jeder soll sich erst mal selbst ein Bild machen. Meine Meinung gibt es dafür hier… für alle, die nicht lange lesen wollen meine Einschätzung vorab: ello wird nicht das „next big thing“ im Netz, kann aber mit etwas Glück seine Nische finden.

Es hätte es vielleicht sogar werden können, hat aber zu früh zu viel Aufmerksamkeit bekommen. Auch in den Mainstream Medien ist es auf einmal die „ehrliche“ Alternative zu facebook, Anti-facebook oder gar gleich der nächste facebook Killer. 30.000 Anmeldungen gäbe es pro Stunde – dabei sind es „nur“ 30.000 Bewerbungen um Invites… Aber mit solchen Details muss man sich ja nicht aufhalten.

Doch was will ello eigentlich sein – und wie?

Das große Versprechen von ello ist eben, dass es werbefrei ist und nicht mit den Daten der Nutzer gehandelt wird. Das Credo von ello ist dann auch

You are not a product.

nachzulesen ist das alles im ziemlich schwülstig daherkommenden ello Manifest. Es präsentiert sich tatsächlich als das Anti-facebook oder auch Anti Google+, deren Geschäftsmodell ja gerade die Werbung ist. Dazu dann noch kein Klarnamenzwang und mehr Freiheiten bei den Inhalten – sogar porn-friendly.

Hört sich alles erst mal interessant an. Nicht nur für die LGBT Szene, Künstler, Hipster und Deutsche. Letztere wahrscheinlich wegen des Datenschutzversprechens.

Aber die Hosting Rechnungen wollen natürlich bezahlt werden. Und auch der VC-Investor, der sich an ello beteiligt hat, wird Geld verdienen wollen. Finanziert werden soll ello dann durch kostenpflichtige Zusatzfunktionen. Soweit die Theorie. Für die Praxis halten sich die ello AGB dann doch Möglichkeiten für die Datenweitergabe frei.

Scheitert ello langfristig an den eigenen Ansprüchen?

Die Frage ist, ob ello das alles so durchziehen kann. Allein schon, dass nun Venture Capital in ello steckt, wird von einigen als Sündenfall gesehen. Andere stören sich gar daran, dass standardmäßig Informationen über die jeweilige Sitzung gesammelt werden – auch wenn man dies deaktivieren kann. ello hat es eben mit einer sehr kritischen und sensiblen Nutzerschaft zu tun.

Skeptisch bin ich, ob die Finanzierung durch kostenpflichtige Funktionen klappt. Bei app.net hat es jedenfalls nicht gereicht. Und das wird es bei ello auch nicht.

Finanzierungsmodelle zu finden, die dem eigenen Anspruch gerecht werden und die Kernzielgruppe nicht verprellen, wird zumindest schwierig.

…doch ello hat schon jetzt ganz grundlegende Probleme

Vorerst hakt es an ganz anderen Dingen. ello ist buggy ohne Ende. Um mich anzumelden und mein Profil einzurichten, musste ich zwei unterschiedliche Browser nutzen, da einiges im Chrome nicht ging, anderes nicht im MSIE.

ello-outage-technik

Hat man es geschafft, sieht ello tatsächlich sehr übersichtlich aus. Aber auch nur, solange man weniger als sagen wir mal 16 Kontakte hat. Danach wird es zusehends wirr und unübersichtlich. Vielleicht hat facebook mit seinen Algorithmen im Feed doch einiges richtig gemacht.

Dann die Funktionen: Außer seinen zu Status posten, Kontakten auf unterschiedliche Art und Weise folgen und Kommentieren geht nicht viel mehr. Die Suchfunktion funktioniert mal, mal nicht, aber niemals gut.

Mit Erreichbarkeitsproblemen hat ello auch ohne Hackerangriffe zu kämpfen.

Die Entwickler werden in nächster Zeit mehr als genug mit Bugfixing und Performance-Optimierung zu tun. Das Hinzufügen der angekündigten weiteren Features wird da auf sich warten lassen.

Wirklich nutzbar ist ello im derzeitigen (Anfang Oktober 2014) Status nicht. Besonders nicht für die breite Masse.

SEO, Porno, Sascha Lobo und die deutsche Attitüde

In Teilen ähnelt die deutsche ello Gemeinde den ersten Mitgliedern bei Google+ – viele SEOs, Consultants und Sascha Lobo.

Sicher wird es jetzt erst mal ganz wichtig, Links in seine öffentlichen ello Profile zu setzen, da das ganz toll fürs Google Ranking ist. In einem Jahr werden diese dann panisch entfernt, da Matt Cutts wieder etwas gesagt hat. Sie kennen das.

Zu befürchten ist weiter, dass aufgrund der Offenheit von ello auch viel Porno dabei sein wird, was es bei facebook und Google+ ja nicht gibt. Hierzulande könnte das ein Problem werden.

bitches-ello

In Deutschland stark vertreten sind dann auch schon Privacy Verfechter. Und natürlich der Menschenschlag, der #Ellosprech schon jetzt ganz toll findet, sich als Elloist bezeichnet und sich einen schwarzen Smiley ins Profilbild setzt. Also ganz genau die Teile der „Netzgemeinde“, die mit ihrer Attitüde dafür gesorgt haben, dass twitter in Deutschland nie so erfolgreich werden konnte.

Zu viel Hype führt zur nächsten Geisterstadt

ello wurde von den Medien in eine Rolle hineingeschrieben, der es noch lange nicht gerecht werden kann, allein schon technisch nicht. Die Bedürfnisse des normalen Nutzers werden nicht erfüllt, der bleibt dann doch bei facebook.

Schon jetzt gibt es Parallelen zu Google+ – viele Profile ohne Profilbilder, einem „Hallo ich war schon ganz früh mal hier“ Post (wenn überhaupt) und mit einem Kontakt. Dass es eine kleine Nische für ello geben wird, will ich gar nicht ausschließen – die gibt es schließlich auch bei Google+, was ja eine weitere Parallele wäre.

Das „next big thing“ ist ello jedenfalls nicht.

ello-geisterstadt

Ich bin gespannt, wen die Medien als den nächsten Königsmörder sehen.

Und das sagen die andern…

Zum Abschluss hier noch weitere interessante Links zum Thema ello:

Interessante Tweets zu ello

<blockquoteclass=“twitter-tweet“ lang=“de“>

Elloist wie eine stetig wachsende Schlange vor einem Laden, von dem niemand weiß, was es dort zu kaufen gibt.

— Harald Link (@haraldlink) 1. Oktober 2014

<scriptasyncsrc=“//platform.twitter.com/widgets.js“ charset=“utf-8″>

<blockquoteclass=“twitter-tweet“ lang=“de“>

„Wirhaben uns auf ellokennen gelernt“ — niemand

— Sebastian Michaelsen (@s_michaelsen) 30. September 2014

<scriptasyncsrc=“//platform.twitter.com/widgets.js“ charset=“utf-8″>

Über Social-Media Berater

Vor langer Zeit schrieb ich auf facebook, dass ich schon das kalte Grausen bekomme, wenn ich nur das Wort „Social-Media Berater“ höre oder lese. Einige Social-Media Berater fragten mich nach den Gründen dafür und ich versprach zu gegebener Zeit eine Antwort – hier ist sie.

Eigentlich hätte ich diesen Beitrag schreiben sollen, bevor ich meine Freundesliste bei facebook aufgeräumt habe (dazu später mehr) – denn diesem Aufräumen fielen die meisten Social-Media Berater zum Opfer und werden von diesem Beitrag gar nicht mehr erfahren. Egal.

Auch schon vor einigen Monaten postete ich bei facebook, dass ein Social-Media Berater (jedesmal wenn ich das Wort schreibe, zucke ich innerlich zusammen) eigentlich nur zwei Eigenschaften brauche: Anstand und – besonders wichtig – gesunden Menschenverstand. Letzteres kann man aber nicht unbedingt erlernen.

Die meisten Social Media Berater machen aber irgendeine Ausbildung, denn…

Facebook, Twitter & Co. revolutionieren die öffentliche Meinungsbildung. Das Mitmach-Internet stellt ganz neue Herausforderungen an die gesamte Unternehmenskommunikation und verändert das Marketing nachhaltig. Immer mehr Organisationen wollen daher wissen, wie sie mit den öffentlichen Dialogen, die im Social Web stattfinden, umgehen sollen bzw. sich selbst dort einbringen können. Hier sind Social Media Manager gefragt, um interne Überzeugungsarbeit zu leisten, Veränderungsprozesse zu steuern sowie zielgruppengerechte Lösungen im Einsatz von Social Media zu entwickeln und umzusetzen.

…schreibt z.B. die ILS. Man lernt dann angeblich, was Social Media eigentlich ist, erhält eine Einführung ins (Micro-)Bloggen, erprobt Social Networking am Beispiel von XING und Facebook, lernt Social Media Monitoring und SEO (noch so ein schlimmes Wort) und kann das zusätzlich das Wahl-Modul Community Management buchen. An erster Stelle lernt man aber viele tolle Fachbegriffe. Zum Beispiel Shitstorm, viral oder Social Media Guideline.

All das führt dann leider dazu, dass der Social-Media Berater überall einen Shitstorm wittert: Habt Ihr den Shitstorm bei xyz gesehen? Also, da haben die ja ganz schlecht reagiert… Naja, es haben sich zwei Kunden nicht ganz so positiv geäußert. Gerne wird auch auf Videos aufmerksam gemacht, die gerade permasteil viral gehen. Danke für den Hinweis, kenne ich seit einem halben Jahr. Postings werden gerne mit Was meint Ihr dazu? beendet, da so ein Social CTA zu gefühlten 0,2% mehr Kommentaren führt. Ja super.

Besonders beliebt sind auch Vorschläge, bei denen man direkt merkt dass es an der Grundvoraussetzung „gesunder Menschenverstand“ fehlt – da wurde ich allen Ernstes gefragt, ob ich für meine harmlose facebook Page eine Social Media Guideline in Auftrag geben wolle. Nein, da poste nur ich, es sind nur wenige Fans und es ist ein reines Hobby Projekt. Danke.

Auf Dauer nervt mich das alles.

Ich habe bei facebook niemanden gelöscht, nur weil er Social-Media Berater ist. Aber ich habe so viele Social-Media Berater gelöscht, weil Sie so viel unnötiges und sich wiederholendes Zeug posten. Und dadurch, dass sie immer ihre eigene Guideline im Hinterkopf haben, sind viele einfach nicht mehr authentisch.

Dem ein oder anderen tue ich sicher unrecht. Und natürlich gibt es auch Social Media Berater, die in dem was Sie machen, ganz großartig sind – aber die nennen sich dann meist auch nicht so.

Bild: pixabay. Schönen Krusty Merchandise Kram gibt es z.B. hier.

Der Artikel wurde am 6.4.2017 moderat überarbeitet.