Homöopathie und Krankenkassen – was die Techniker nicht schreibt und warum das Thema kompliziert ist

Mit diesem Tweet im Rahmen einer Diskussion hat die Techniker Krankenkasse für massive Reaktionen bei twitter und in der Folge darüber hinaus gesorgt:

Viele Menschen empörten sich darüber, dass die Krankenkasse Geld für eine nicht wirksame Behandlungsmethode ausgibt.

Die Techniker hat sich für den inhaltlich und vom Stil her wirklich unglücklichen Tweet auf dem Kurnachrichtendienst selbst sehr zeitnah entschuldigt und inzwischen auch mit einen ausführlicheren Beitrag „Streitthema Homöopathie“ reagiert.

Wesentliche Aussage: Viele der Versicherten wünsche Homöopathie und daher biete man auch homöopathische Behandlung an. Zudem seien durch den Gesetzgeber  „Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen … nicht ausgeschlossen“ und diese würden auch nur erstattet, wenn sie von einem Arzt verschrieben werden – und gerade nicht von einem Heilpraktiker.

Letztlich hätte ich mir hier mehr inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema gewünscht, denn so einfach ist das alles nicht. Folgende Gedanken dazu:

  1. Dass homöopathische Arzneimittel keine echte Wirkung haben, steht außer Frage. Homöopathie ist Esoterik. Punkt.
  2. Dennoch können Sie helfen – eben durch den Placebo Effekt. Vereinfacht gesagt: viele Menschen werden schneller gesund, wenn sie das Gefühl haben, etwas gegen die Krankheit zu tun und wenn der Arzt sich Zeit für sie nimmt. Ob sie dann aber Globuli oder Liebesperlen von der Kirmes, die als Globuli ausgegeben werden, schlucken, macht keinen Unterschied. Beide sind gleich wirksam.
  3. Aus Sicht der Krankenkasse kann dies in Einzelfällen durchaus auch sinnvoll sein: Versicherte, die an Homöopathie glauben, werden durch eine vergleichsweise günstige Behandlung schneller gesund.
  4. Und gerade viele gebildete Gutverdiener setzen (verblüffenderweise) auf Homöopathie. Erstattet die Krankenkasse homöopathische Behandlungen, kann sie solche für sie wichtige Beitragszahler gewinnen.
  5. Wichtig ist aber folgendes: die anfänglichen Kostenvorteile könnten sich ins Gegenteil verkehren, wenn durch eine zugunsten der Homöopathie zunächst unterlassene wirksame Behandlung eine ernsthafte, möglicherweise gar chronische Erkrankung entwickelt, die dann in der Folge deutlich teurer ist. Dies scheint die Techniker dadurch vermeiden zu wollen, dass nur Ärzte die homöopathischen Mittel verschreiben dürfen. Dennoch sollte dies aus Kassensicht im Auge gehalten werden.
  6. Sichergestellt werden sollte auch, dass der Trend zur Homöopathie nicht zu einer Entfernung von wissenschaftlichen Standards und hin zu mehr Esoterik führt.

Festzuhalten bleibt: aus Sicht der Kassen kann es gute Gründe geben, homöopathische Behandlung zu erstatten, wenn diese gut kontrolliert und beobachtet durchgeführt wird und keine sinnvolle und notwendige wissenschaftlich begründetete Behandlung ersetzt.

Aus meiner Sicht wäre es gleichwohl sinnvoller, auf die esoterische Homöopathie zu verzichten und im Gegenzug das Arzt/Patientengespräch besser zu vergüten. Könnten sich Ärzte mehr Zeit für den Patienten nehmen, könnte auf wissenschaftlich begründeter Basis ein vergleichbarer, wenn nicht sogar besserer Effekt erzielt werden.

Anmerkung: Die Nichtwirksamkeit von Homöopathie ist von tausenden Studien belegt. Nachlesen kann man das hier. Sollte es wieder Erwarten eine seriöse Studie geben, die eine Wirksamkeit über den Placebo Effekt hinaus belegen, werde ich das hier ergänzen.

2 Antworten auf „Homöopathie und Krankenkassen – was die Techniker nicht schreibt und warum das Thema kompliziert ist“

  1. Lieber zahle ich (auch TK-Kunde) für die lächerlich geringen Ausgaben zur Homöopathie mit, als für die m.E. abstrusen Ausgaben zu „Erkrankungen“, die der Versicherte zum größten Teil selbst verschuldet hat. Und damit meine ich nicht nur Folgeschäden bei Rauchern, sondern v.a. die aberwitzig teure Behandlung von Folgeerkrankungen massiven Übergewichts.
    Ich habe habe 12 Jahre in der Orthopädie gearbeitet und musste feststellen, dass 99% der künstl. Hüft- und Kniegelenke bei massiv Übergewichtigen Patienten angebracht wurden. In all den Jahren kann ich mich an keinen einzigen Fall erinnern, wo eine ‚Drüsenerkrankung‘ oder ein sonstiges, nicht selbst verschuldetes Leiden am Übergewicht Schuld war.
    Ergo: Der Patient verursacht durch die eigene, jahrelange Fresssucht massivste Kosten für die Allgemeinheit! Damals -also 1988 bis 2000- hieß das im Schnitt für eine künstl. Hüfte [TEP] incl. Folge-Reha und Arbeitsausfall ca. 50.000 DM / Patient, also bei zwei Hüften locker sechsstellig!
    Und DAS muss ich mitzahlen, ob ich will oder nicht?
    DAS ist ein Skandal! Nicht die paar lausigen Kröten, die für Zuckerkügelchen ausgegeben werden (und ggf. sogar helfen, weitere Kosten zu verhindern)!

  2. Ich möchte noch einige Aspekte in die Diskussion einbringen:
    Viele Eltern bringen ihre Kinder in der Erwartung zum Arzt, insbesondere Kleinkinder, dass der Arzt ein Mittel verschreibt, egal was für eines, Hauptsache dem Kind geht es besser.
    Eine gründliche, homöopathische Anamnese ist da ein wichtiger erster Schritt, dass sich Kind und Elternteil ernstgenommen fühlen.
    Nun kann und sollte ein Arzt nicht immer ein Antibiotikum oder ein biochemisch wirksames Mittel verschreiben und gerade bei Kleinkindern ist es oft besser, auf die Selbstheilungskräfte zu vertrauen als vergleichsweise leichte Symptome mit fragwürdiger – für Kleinkinder oft unzureichend getesteter – Medizin oder gar Antibiotika zu bombardieren.
    In sofern ist Homopathie für Ärzte eine willkommene Rückzugsmöglichkeit, wenn man kein vielleicht im Einzelfall kontraproduktives oder gar potenziell schädliches Mittel verschreiben möchte aber die Eltern auch nicht mit leeren Händen nach Hause schicken möchte. Diese Form der Verschreibung folgt sogar durchaus der Motivation des Erfinders Hahnemann, nämlich dass weniger potenziell schädliche Medizin am Patienten angewendet wird.
    Natürlich muss sowohl ein Arzt wie auch ein Heilpraktiker differenzieren können, wann ein nachweislich biochemisch wirksames Mittel oder Antibiotikum zwingend vonnöten ist und Homöpathie nicht (mehr) ausreicht.

    Man sollte bei alledem aber nicht vergessen: Auch herkömmliche Arzneien sind keine Garantie für eine Heilung und manchmal richten sie auch Schaden an. Parazetamol ist hier nur ein Beispiel.

    Der tatsächliche Schaden, den die Homöpathie verursachen kann, ist im Einzelfall entweder ein vergleichsweise kleiner finanzieller Schaden oder aber eine Nichtwirksamkeit, die ein vernünftiger Patient durchaus bemerken kann und so eine andere Therapie einfordern kann.
    Darum ist der wichtigste Rat, den man Patienten geben muss, sich nie allein auf die Homöopathie zu verlassen, wenn es um Leib und Leben geht sondern immer auch eine konventiell diagnostizierte Meinung einzuholen.

    Was sich viele Ärzte von der Homöopathie allerdings abschauen können, ist der Anamneseprozess, der zu einer umfassenderen Sicht auf den Patienten beim Arzt und zu einer starken Selbstreflexion auf der Seite des Patienten führt. Beides ist wünschenswert. Insbesondere wenn psychosomatische Prozesse eine Krankheit mit bedingen, kann eine mit homöopathischem Wissen (manche mögen es esoterischen Ballast nennen) aufgeladene Beratung und Therapie wirksamer sein, als oberflächlich an den Symptomen herumzudoktern.

    Schließlich: Viele Einschätzungen von Patienten zu ihrem Befinden sind sehr individuell und subjektiv. Wenn sich das gefühlte Wohlbefinden durch Homöpathie verbessern lässt, auch wenn objekiv keine Besserung eingetreten ist, kann das im Einzelfall sehr hilfreich sein, in manchen Einzelfällen auch schädlich und eine konservative Therapie verzögernd. Darum ist eine Einbindung von Ärzten in den Anamneseprozess wichtig und für ernsthafte Erkrankungen IMHO unabdingbar.In sofern finde es gut und richtig, dass der Arztbesuch im Zweifel kostengünstiger ist, als der Gang zum Homopathen und Heipraktiker. In den USA und manchen anderen Ländern ist das anders und von dort geht eine größere Gefahr aus, als in unserem Gesundheitssystem.

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