Bleibt doch alle bei den Fakten

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Tage wie diese lassen mich langsam an Politik, Medien und „dem Netz“ verzweifeln. Aber der Reihe nach.

Unstrittig dürfte zunächst sein: in Köln kam es in der Silvesternacht zu Übergriffen auf junge Frauen, die es in dieser Dimension in jüngerer Zeit noch nicht gegeben hat.

Das Versagen der klassischen Medien

Berichtet wird darüber zunächst kaum. Die wenigen Meldungen finden sich einerseits sehr zurückhaltend in lokalen Medien einerseits und sehr reißerisch andererseits auf eher strammrechts zu verorteten Nachrichtenseiten und Blogs. Die überregionalen Medien schweigen.

Mutmaßlicher Grund für diese Situation: Bei den Tätern hat es sich nach übereinstimmenden Berichten um arabisch und nordafrikanisch aussehende Männer gehandelt. Möglicherweise Flüchtlinge? Was bei den besorgten Bürgern zu geifernder klammheimlicher Freude führt („Haben wir es nicht schon immer gesagt?“) begründet bei den klassischen Medien betretenes Schweigen („Was nicht sein darf, findet nicht statt.“).

Irgendwann ist der Druck aus den sozialen Netzwerken und den Blogs aber so groß, dass ab dem 4. Januar eine breite Berichterstattung stattfindet. Einen Tag später zieht dann auch das ZDF nach.

Das Versagen des twitter-Feminismus und über die Instrumentalisierung sexueller Gewalt

Um diese Zeit herum habe ich geschrieben, dass es gefährlich ist, wenn in Sachen Köln der #Aufschrei der Pegida Fraktion überlassen wird, die diesen in erster Linie für pauschale Hetze gegen Ausländer, Flüchtlinge und Muslime missbraucht. Denn von den üblichen twitter Feministinnen war zunächst nichts und dann nur eher beschwichtigendes zu lesen.

Hier zeigt sich ein weiteres Versagen: die Instrumentalisierung sexueller Gewalt und deren Opfer. Empört wird sich nur dann, wenn es den eigenen politischen Zielen dient und ins Weltbild passt.

Einerseits: Brüderle beleidigt mit einem Altherrenkompliment – Aufschrei. Flüchtlinge gehen junge Frauen an – lieber mal ruhig sein.

Andererseits: Flüchtlinge gehen junge Frauen an – Grenzen dicht und kastrieren! Der Huber Toni hat auf dem Oktoberfest der Marie untern Rock gegriffen – Mei, so ist es halt auf der Wiesn, die soll sich nicht so anstellen.

Sexuelle Gewalt ist sexuelle Gewalt. Völlig gleich, von wem sie begangen wird. Und sexuelle Gewalt muss thematisiert werden, ob es einem gerade ins Weltbild passt oder nicht. Da gibt es in keiner Richtung etwas zu relativieren oder aufzubauschen. Punkt.

Zynisch finde ich auch, wenn der von mir ansonsten sehr geschätzte Heinrich Schmitz im Tagesspiegel und bei den Kolumnisten zu Köln schreibt:

Gleichwohl wurden hier sexuelle Handlungen ganz offenkundig von Trickdieben eiskalt genutzt, um die Opfer zu bestehlen – und nicht in erster Linie um sie zu „erniedrigen“.

Sorry Heinrich, zum einen weißt Du nicht, ob es den Tätern nicht um Handys und sexuelle Erniedrigung ging (wovon die Polizei inzwischen ausgeht). Zum anderen ist das auch völlig egal – den betroffenen Frauen wird es wohl kein Trost sein, dass sie nicht aus sexuellen Motiven heraus massiv sexuell belästigt wurden.

Natürlich hat sich in den letzten Jahrzehnten und Jahren in Deutschland viel geändert. Kaum mehr vorstellbar, dass sich heutzutage noch ein Gericht äußern würde wie der Bundesgerichtshof 1966 (Urteil des BGH vom 2. November 1966, Az. IV ZR 239/65):

Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr … versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.

Ich möchte aber nicht wissen, in wie vielen Ehen und Beziehungen das und schlimmeres Realität ist. Unter diesem Aspekt ist das aktuelle Interview mit der Aufschrei Initiatorin Anne Wizorek zu den Vorfällen in Köln durchaus lesenswert.

Wünschenswert wäre jedenfalls, wenn über alle Fälle sexueller Gewalt sachlich und ohne politische Vereinnahmung diskutiert werden könnte.

Das Versagen der Politik

Dazu gehört aber auch, nichts zu verschweigen und die Augen nicht vor den Ursachen zu verschließen.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich der Kölner Polizeipräsident Albers am 5. Januar hinstellt und sagt, er hätte keine Informationen über die mutmaßlichen Täter, wenn in einem Einsatzbericht vom 2. Januar zu lesen ist, dass es 71 Personalienfeststellungen, 11 Ingewahrsamnahmen und 4 Festnahmen gab – darunter waren einige syrische Flüchtlinge.

Entweder hat der Kölner Polizeipräsident seinen Laden nicht im Griff oder es sollten wieder nicht in die politische Lage passenden Informationen zurückgehalten werden. Vielleicht ist sogar beides der Fall.

Über die weiteren Versäumnisse, Fehleinschätzungen und Fehler der Polizeiführung und des Innenministers von NRW in der Kölner Silvesternacht wird man jedenfalls noch einiges lesen können.

Die Konsequenzen

All diese Ungereimtheiten und Vereinnahmungen führt zu einem weiteren Entfremden zwischen großen Teilen der ehemals meinungsführenden Medien und Politik einerseits und großen Teilen der Bevölkerung andererseits.

Nachdem am 7. Januar die Polizeiberichte veröffentlicht wurden, die viele der Aussagen aus Politik und Medien als unrichtig entlarvten, habe ich Begriffe wie Lügenpresse und Verräter von Menschen gehört und gelesen, von denen ich dies nie erwartet hätte.

Eine weiterer Vertrauensverlust in Politik und Medien wäre angesichts der zahlreichen bevorstehenden Herausforderungen mehr als bedenklich.

Und Vertrauen gewinnt man durch Ehrlichkeit.

10 Fakten zum 8. Januar

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  1. Gudrun, Gudula, Erhard, Heinrich, Thorsten und Severin haben heute Namenstag.
  2. Der französische Komponist Jean-Baptiste Lully rammt sich heute im Jahr 1687  Jahren beim Dirigieren einer Motette den Taktstock in den Fuß. An den Folgen der Verletzung stirbt er einige Wochen später.
  3. 1889 meldet Herman Hollerith das Patent für ein System zur Verarbeitung von Lochkarten an. Die maschinelle Datenverarbeitung beginnt.
  4. Der österreichische Fußballverein Rapid Wien wird heute im Jahr 1899 gegründet.
  5. 1959 wird Charles de Gaulle erster Präsident der fünften Republik in Frankreich.
  6. Das Bundesurlaubsgesetz wird 1963 verabschiedet. Es gewährt grundsätzlich jedem Arbeitnehmer mindestens 24 Tage Jahresurlaub.
  7. Das erste Programm der ARD beginnt heute im Jahr 1973 mit der Ausstrahlung der „Sesamstraße“. Diese Sendung, ursprünglich in den USA entwickelt, wird schnell zu einem festen Bestandteil des Kinderprogramms in Deutschland und wird heute noch ausgestrahlt.
  8. 2011 wird beim Attentat von Tucson die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords schwer am Kopf verletzt, 13 weitere Menschen werden ebenfalls verletzt, sechs getötet. Wie durch ein Wunder stirbt Giffords nicht, sondern kann inzwischen sogar wieder sprechen.
  9. Fanny Bullock Workman kommt 1859 auf die Welt. Sie ist amerikanische Bergsteigerin, Geografin, Kartografin und Frauenrechtlerin.
  10. Der Physiker Stephen Hawking (Der große Entwurf: Eine neue Erklärung des Universums) wird 1942 geboren. 1962 wurde bei ihm die Nervenerkrankung ALS festgestellt und ihm prophezeit, dass er nur noch wenige Jahre zu leben habe – er starb erst 2018.

Hier sind weitere Infos rund um den 8. Januar.

Köpfe: Eric C. Olsen

Eric C. Olsen war ein weißer Mann (26), der am 8. Januar 2016 in Geneva (WI) von der Polizei erschossen wurde. Er selbst war mit einem Messer bewaffnet.

Köpfe: Andrew Earl Abernathy

Andrew Earl Abernathy war ein hinsichtlich seiner Herkunft nicht erfasster Mann (50), der am 8. Januar 2016 in Acworth (GA) von der Polizei erschossen wurde. Andrew Earl Abernathy galt als psychisch verwirrt.

Dokumentiert: Trump auf twitter – 08. Januar 2016

Der 08. Januar 2016 war ein Freitag und der 2441. Tag von Donald Trump beim Kurznachrichtendienst twitter. Er schrieb an diesem Tag 14 Tweets, die zusammen insgesamt 62.336 Likes sowie 21.512 Retweets erhielten. Die tweets finden Sie hier bald.