Was Schavan mit dem Fall Trittin zu tun hat (und ein Gedanke zum Lagerdenken)

Den Fall Schavan habe ich von Anfang an kritisch beobachtet und den Rücktritt der Ministerin gefordert. Ebenso wie z.B. bei Christian WulffKarl Ernst Thomas de Maizière oder Guttenberg. Alles konservative Politiker, bei denen zunächst nur Politiker aus dem anderen Lager Rücktrittsforderungen gestellt haben. Nun bin ich selbst eher wertkonservativ und habe gerade deswegen in den obigen Fällen auf Konsequenzen gedrungen – jedenfalls soweit man das als unbedeutender Blogger tun kann.

Und nun also Jürgen Trittin, der vor etwas über 30 Jahren für ein „grünes“ Programm verantwortlich zeichnete, das die Legalisierung von Sex zwischen Erwachsenen forderte. Dargelegt ist das alles in der taz.

Seine Entschuldigung heute – er habe nicht gewusst, dass er „ViSdP“ für die Forderung war. Das hört sich ähnlich an wie ein „ich habe unsauber zitiert“ – und deswegen ist z.B. eine Annette Schavan von ihrem Amt als Bundesministerin zurückgetreten.

Von der Qualität her finde ich Trittins Versäumnis grundsätzlich schwerwiegender als das von Frau Schavan, wobei weiter zu forschen wäre, ob es ein Einzelfall war oder es systematische Tolerierung oder gar Unterstützung von Pädophilie durch Jürgen Trittin gab. Wenn letzteres zuträfe, wäre ein Rücktritt von Trittin wohl unvermeidbar. Unabhängig davon sollte Jürgen Trittin sich den Vorwürfen stellen – sein derzeitiges Herumlavieren mach ihn unglaubwürdig.

Eines stört mich dennoch gewaltig – das Lagerdenken, das hier wieder zutage tritt. Aus CDU und CSU kommen reflexhaft sofortige Rücktrittsforderungen, während das „linke Lager“ Trittin in Schutz nimmt und diese Forderungen unanständig nennt (wobei es wohl eher unanständig ist, Pädophilie zu verteidigen, aber das nur am Rande). Ich fände es einfach wünschenswert, dass jedes Verhalten objektiv betrachtet und beurteilt würde. Ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeiten.

Aber das bleibt wohl frommes Wunschdenken.

Eine Antwort auf „Was Schavan mit dem Fall Trittin zu tun hat (und ein Gedanke zum Lagerdenken)“

  1. Im Zuge der sexuellen Liberalisierung seit den späten 60er Jahren galt es in den 80er Jahren auch in liberalen Kreisen als schick, für die Abschaffung des Sexualstrafrechts zu sein. Die Jugendorganisation der Liberalen hat das auch in ihrem Programm gehabt.

    Ich denke man muss Menschen und auch Politikern zugute halten, dass die ihre Meinung verändern können und zu einer gesellschaftlichen Meinungsbildung durch Diskussion beitragen dürfen. Der gesellschaftliche Diskurs über Sexualität und welcher Teil davon überhaupt einer gesetzlichen Regelung bedarf, war in den 80ern notwendig und eben auf der Tagesordnung.
    Dass dabei auch die Grenzen der Pädophilie neu ausgelotet wurden, ist ein Teil dieses Diskurses gewesen. Es ist eine im politischen Diskurs akzeptable Meinung, dass der Staat sich generell aus *einvernehmlichem* Sex herauszuhalten hat. Dass der Staat Kinder und Jugendliche bis zu einem bestimmten Alter vor Sex mit Erwachsenen generell schützt, ist eine ebenfalls akzeptable Meinung, die offenbar den gesellschaftlichen Konsens darstellt und bei der aktuelle Studien auch belegen, dass das durchaus sinnvoll ist, um die psychische Unversehrtheit von Kindern zu schützen. Darum ist diese Meinung auch politisch mehrheitsfähig.

    Wer damals – wie auch immer – damals seine Meinung kundgetan hat, es ist einfach ein Stück Meinungsfreiheit gewesen. Ich finde, wir müssen andere Meinungen mehr aushalten lernen, denn ohne diese können wir keinen Diskurs führen. Politikern muss es gestattet sein, diesen Diskurs zu führen und auch Meinungen Dritter im Diskurs zu prüfen. An die geltenden Gesetzte haben sich dennoch alle zu halten, auch eben diejenigen, die anderer Meinung sind.

    Viel kritischer finde ich aktuell den fehlenden Verbraucherschutz in Deutschland bei Nahrungsmitteln und das werfe ich der aktuellen Regierung am meisten vor! Die Lobby verhindert hier den Fortschritt zu mehr Verbrauchersicherheit und Transparenz. Das ist ein aktuelles und dringendes politisches Thema, genau so wie die Eurorettung und ihre Art und Weise wie dies geschieht.
    Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa und der Klimawandel und die damit erforderliche Verbessrung unserer Energiegewinnung und die Reduktion unseres Verbrauchs sind auch wichtige und aktuell brennende Themen.

    Ich würde Trittin nicht unterstellen, dass er selbst und persönlich die Pädophilie befürwortet oder befördert hat und allein vor diesem Hintergund würde ich eine Rücktrittsforderung als gerechtfertigt ansehen. Das was hier läuft ist dummdreiser, schmutziger konservativer Wahlkampf. Darin war die CDU/CSU schon immer der Meister.

    Letztlich ging es in den 80ern um die Frage, ob der Staat sich in das Thema Sexualität wie auch immer durch ein Sexualstrafrecht einmischen soll. Die Frage ist historisch beantwortet und wir haben eine durchaus gute, geltende Gesetzgebung und ein funktionierendes Rechtssystem was das angeht. Das hat aber viele überwiegend katholische Pfarrer über Jahre nicht davon abgehalten, sich an Kindern zu vergreifen. Das ist hier der eigentliche Skandal gewesen und dass diese Täter rechtlich nicht mehr belangt werden können und die Kirche das im inneren Kreis aufarbeiten darf.

    Darum finde ich Deinen Beitrag hier unausgewogen und am Problem vollkommen vorbei.

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