Ein paar andere Gedanken zu Snowden

Thrilling Spy Stories - Pulp Poster, 1939Ich habe noch keine Meinung, was ich von Edward Snowden halten soll. Held oder Verräter? Wahrscheinlich ist er beides. Ganz einfach, weil die Welt nicht so einfach Schwarz/Weiß ist, wie wir das oft gerne hätten.

Spionage gab es schon immer. Sascha Lobo macht in seiner Kolumne bei SPON auf einen Spiegel Artikel von 1989 über die NSA aufmerksam, in dem ich besonderen Absatz bemerkenswert finde:

Daß in Bad Aibling, ähnlich wie in anderen NSA-Stationen auf deutschem Boden, offenbar mit Wissen und Billigung der Bundesregierung jeder Piepser abgehört wird, gilt zumindest unter amerikanischen Geheimdienstexperten als sicher. „Warum auch nicht, ihr hört uns doch auch ab“, sagt Autor Richelson.

Früher wurden Brieftauben abgefangen, Funksprüche entschlüsselt, Briefe heimlich gelesen, Wanzen installiert, Telefonate abgehört und Menschen mit schießenden Kugelschreibern, Gift oder radioaktivem Material getötet. Heute wird eben zusätzlich der Internet-Verkehr gescannt und statt des Agenten eine Drohne losgeschickt. Die Dimension ist allein schon angesichts der Möglichkeiten eine andere, rechtlich und moralisch sind die Fragestellungen aber immer gleich geblieben.

Jeder, der jetzt überrascht ist, ist naiv. PRISM, Tempora und Co sind nur konsequente Fortsetzungen dessen, was es eigentlich schon immer gab und was man an sich schon immer wusste.

Zwischen den Staaten scheint es das stillschweigende Abkommen zu geben „Ich spionier Dich aus, weil Du es andersrum genau so machst.“ Und manchmal rumpelt es halt und Spione werden – wie jetzt gerade in Stuttgart – verurteilt. Das meiste wird aber stillschweigend abgewickelt.

Letztlich ist dies ein mehr weniger ausbalanciertes System. Wer mag ernsthaft bezweifeln, dass Russland oder China nicht ihre eigenen groß angelegten Überwachungssysteme haben und Ihre Verbündeten mit Informationen versorgen. Wie groß und mächtig deren Überwachungsapparate sind, wissen wir nicht. Eben weil es in diesen repressiveren Ländern keine Snowdens gibt.

Er hat ohne Zweifel diese „Balance of Power“ für den Moment durcheinandergewirbelt. Und wahrscheinlich alle, die dieses Spiel mitspielen, haben kein wirkliches Interesse daran, den bisherigen Status Quo grundsätzliches zu ändern. Das zeigt schon Putins Reaktion auf Snowdens Asylantrag.

Es ist immer problematisch, wenn ein Recht absolut verteidigt wird. Auch in unserem Grundgesetz begrenzen und kontrollieren sich Grundrechte gegenseitig. Und so wie die USA bei der Verteidigung ihrer Sicherheit zu weit gegangen sind, ist Snowden möglicherweise bei der Verteidigung der Freiheit an sich zu weit gegangen – jedenfalls soweit er dadurch seinerseits Menschenleben gefährden sollte.

Weiter befürchte ich, dass das Bekanntwerden von Prism, Tempora und Co. zu einem weiteren Hochrüsten der Spionagesysteme auf allen Seiten führen wird, womit der Freiheit ein Bärendienst erwiesen worden wäre.

Die Zukunft wird es zeigen.

Bild: (c) Allposters

3 Antworten auf „Ein paar andere Gedanken zu Snowden“

  1. Aus Wikipedia im Echelonartikel: „Wegen des Einsatzes zur Wirtschaftsspionage gegen europäische Unternehmen wurde eine bedeutende Anlage der amerikanischen NSA im bayerischen Bad Aibling auf Empfehlung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Jahr 2004 geschlossen.“
    Also auch damals wurde gegen die Spionage etwas unternommen. Es gibt Grenzen, vor allem die, dass sobald sie auffliegt, sie nicht geduldet wird.

    Snowden ist ein Held und Kronzeuge, der uns noch mehr Aufklärung über unsere ‚Freunde‘ verschaffen kann, ihm gehört Schutz durch Europa weniger England geboten. Deutschlands Regierung ist auf dem Holzweg, weiterhin den Speichel der USA zu lecken. Es ist an der Zeit, dass Deutschland für seine Bürger Verantwortung übernimmt indem es hinterfragt, was unsere Bündnispartner wirklich im Schilde führen.

    A

    Weiter befürchte ich, dass das Bekanntwerden von Prism, Tempora und Co. zu einem weiteren Hochrüsten der Spionagesysteme auf allen Seiten führen wird, womit der Freiheit ein Bärendienst erwiesen worden wäre.

    und
    B

    Jeder, der jetzt überrascht ist, ist naiv. PRISM, Tempora und Co sind nur konsequente Fortsetzungen dessen, was es eigentlich schon immer.

    Die Stellen A & B widersprechen sich doch, entweder war es eh ein alter Hut für die Geheimdienste und uns alle und kann somit auch kein Wettrüstungssignal mehr sein oder es war überraschend und kann dann wirklich ein Wettrüsten bedeuten. Also was denn jetzt?

    Klar ist: Aufrüstung zur Spionageabwehr ist längst überfällig. Alleine um unsere Wirtschaft zu schützen, sollte die Regierung endlich aus der Hypnose aufwachen und handeln.

    1. Zu Bad Aibling: bei dem Thema ist seitens der Regierungen immer viel Show dabei. Ich glaube kaum, dass die Anlage geschlossen worden wäre, wenn die Amerikaner die noch wirklich gebraucht hätten.

      Zum vermeintlichen Widerspruch: Man wusste es immer, aber eben nicht konkret. Jetzt ist das Thema auf dem Tisch und es muss was passieren (Show). Und das nächste Programm ist dann eben noch stärker abgeschirmt und noch weniger den letzten Resten einer zumindest rudimentären Kontrolle entzogen.

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