Links oder rechts?

Wie schätzen Sie diese politischen Positionen und Forderungen ein?

  • Wir fordern, dass sich der Staat verpflichtet, in erster Linie für die Erwerbs- und Lebensmöglichkeit der Staatsbürger zu sorgen.
  • Alle Staatsbürger müssen gleiche Rechte und Pflichten besitzen.
  • Brechung der Zinsknechtschaft.
  • Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die jeder Krieg vom Volke fordert, muß die persönliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden: Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne.
  • Wir fordern die Verstaatlichung aller (bisher) bereits vergesellschafteten (Trusts) Betriebe.
  • Wir fordern Gewinnbeteiligung an Großbetrieben.
  • Wir fordern einen großzügigen Ausbau der Altersversorgung.
  • Wir fordern die Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seine Erhaltung, sofortige Kommunalisierung der Groß-Warenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende, schärfste Berücksichtigung aller kleinen Gewerbetreibenden bei Lieferung an den Staat, die Länder oder Gemeinden.
  • Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke.
  • Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation.
  • Wir fordern die Ausbildung besonders veranlagter Kinder armer Eltern ohne Rücksicht auf deren Stand oder Beruf auf Staatskosten.
  • Der Staat hat für die Hebung der Volksgesundheit zu sorgen durch den Schutz der Mutter und des Kindes, durch Verbot der Jugendarbeit, durch Herbeiführung der körperlichen Ertüchtigung mittels gesetzlicher Festlegung einer Turn- und Sportpflicht, durch größte Unterstützung aller sich mit körperlicher Jugendausbildung beschäftigenden Vereine.
  • Gemeinnutz vor Eigennutz.
  • Wir fordern Ersatz für das der materialistischen Weltordnung dienende Recht.

Klingt doch eher links, oder? Dabei sind die Positionen dem Parteiprogramm der NSDAP von 1920 entnommen – wobei es natürlich viele weitere Punkte gibt, die wieder auf ganz andere Ziele hinweisen. Hinweisen darf ich auch gleich darauf, dass ich einzelne Kürzungen vorgenommen habe, die direkt erkennen liessen, dass all die guten Taten nur Volksgenossen zugute kommen sollten.

Warum ich das schreibe? Erika Steinbach hat auf twitter die NSDAP als „linke“ Partei bezeichnet:

steinbach-twitter

Dass danach heftigste Proteste folgten, dürfte keinen verwundern. Und zu dem Thema könnte man jetzt sehr viel schreiben – wozu mir heute leider die Zeit fehlt. Ich möchte aber doch den kleinen Denkanstoß bringen, dass die Begriffe „Links“ und „Rechts“ zu vereinfachend für die Einordnung von Parteien sind. Und das geht an Frau Steinbach und an ihre Kritiker. 140 Zeichen Echtzeitdiskussion sind für manche Themen einfach nur suboptimal.

Ich ergreife hier ausdrücklich NICHT Partei für Erika Steinbach generell, insbesondere nicht für ihre SPD-Gleichschaltungs-Aussage und anderem Blödsinn. Ich halte nur nichts von reflexhaften Diskussionsreaktionen. Und auch die Einzigartigkeit der Dimension der durch Deutschland zwischen 1933 und 1945 begangenen Verbrechen möchte ich durch diesen Beitrag nicht in Frage stellen.

4 Antworten auf „Links oder rechts?“

  1. – „Brechung der Zinsknechtschaft.“
    – „Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die jeder Krieg vom Volke fordert, muß die persönliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden: Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne.“
    – „Der Staat hat für die Hebung der Volksgesundheit“

    Nein, das klingt schlicht und einfach NICHT links (wobei sich die damalige Linke ähnlich angehört hat, von KPD bis SPD, das macht es aber keineswegs „linker“ ;-) ).
    Zumindest die („radikale“) Linke ist sich heutzutage mehrheitlich einig, dass auch völkische Ideologie sowie verkürzte Kapitalismuskritik (nichts anderes drückt der erste Punkt aus, wobei sich hier hauptsächlich auch ganz subtil der Antisemitismus der NSDAP versteckt, aber das haste ja auch bei genug „linken“) abzulehnen und zu bekämpfen sind.
    Aber vielleicht ist mein Bild der („radikalen“) Linken auch einfach zu idealistisch, Besuche auf Homepages einiger (mittlerweile aber weniger, wenn ich die ganzen ML-Spinner etc. nicht in diese Definition mit einbeschließe) Gruppen lassen dies aber wohl leider noch vermuten!

  2. @DiesUndJenes – sicher, die Sprache ist der Zeit entsprechend martialisch.

    Aber mE zeigt auch Dein Beitrag, dass Links/Rechts zur Einordnung von Parteien zu einfach sind.

  3. Die Positionen sind kollektivistische Positionen. Und in den 30er Jahren strömten „Linke“ sehr bereitwillig in die NSDAP. Die hiesige Unterscheidung nach „links“ und „rechts“ dient lediglich dem Konstruieren eines Unterschiedes, wo keiner ist.
    Die heutige Ironie liegt auch darin, dass „Linke“ als soziale Errungenschaft verteidigen, was seinerzeit von NSDAP eingeführt wurde.

  4. Vielleicht ist es eben nicht so eindimensional, wie es viele Politiker gerne sehen. Die Bezeichnungen «links» und «rechts» leiten sich ja aus einer Sitzordnung in einem Parlament ab, in deren rechten Ecke die Monarchisten saßen. Die Wikipedia stellt z.B. für die Schweizer Parteienlandschaft folgendes zweidimensionale Bild auf, an dem sich der Wähler meiner Meinung nach besser orientieren kann: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Swiss_party_politics_2007_de.png&filetimestamp=20101030140154

    Wahrscheinlich gibt es noch mehr Maßstäbe (Dimensionen?), die man anlegen kann. Eine Einordnung in links und rechts kann aber heute nicht mehr ausreichen, wie Severins NSDAP-Beispiel sehr gut zeigt. Fast ist man geneigt, die propagandistische Leistung jener Partei anzuerkennen, die die Bedürfnisse sozialer und konservativer Kreise gleichermaßen bedient. Wäre doch schön, wenn dies gelänge, ohne schließlich in einem Blutbad sondergleichen zu münden.

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